Brexit-Satire: "Die Kakerlake" Ian McEwan: Wie eine Kakerlake zum Regierungschef wird

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Kann eine Kakerlake die Absurdität der Brexit-Verhandlungen in den Schatten stellen? Foto: Diogenes Verlag

Die Abläufe der Brexit-Verhandlungen noch absurder erscheinen lassen, als sie es ohnehin schon sind. Dieser Herkulesaufgabe hat sich der britische Schriftsteller Ian McEwan mit seiner Novelle "Die Kakerlake" angenommen. Herausgekommen ist eine Brexit-Satire, in der eine Schabe zum Regierungschef wird.

"Als Gregor Samsa eines Morgend aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.", so beginnt die Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka. Mit besorgtem Blick auf die Entwicklungen des Brexits, dreht der Schriftsteller Ian McEwan diese merkwürdige Metamorphose einfach um. In seiner Novelle "Die Kakerlake" wird eine Küchenschabe zum Premierminister.

Sie lachen und weinen

McEwan ist einer der prominentesten Autoren Großbrittaniens und entschiedener Gegener des Brexits. Mit "Die Kakerlake" mischt er sich nun auf satirische Art in die immer schärfer und roher werdene Debatte ein: "Ich musste mich einfach damit auseinandersetzen und meine Sicht der Dinge niederschreiben. Eine Satire schien mir dazu der richtige Weg." Doch verweist diese Form des Erzählens nicht "nur" auf eine Haltung, welche die parlamentarischen Abläufe und deren Absurdität besorgt belächelt. "Die Kakerlake" zeugt darüber hinaus auch von einer wohl mehr als angebrachten Verzweifelung, mit der Künstler*innen politischen Entwicklungen gegenüberstehen.

Denn allein schon die Schilderung dessen, was dort in Großbritannien seit einigen Monaten vonstatten geht, würde wohl als ein satirisches Werk gelesen werden können. Eine eins-zu-eins übertragende Geschichte, deren Titel Egomanie und Absurdität lauten könnte, und in der vom Tod der Demokratie, von der Kapitulation vor der EU, von einem "toten" Parlament und einer unwürdigen Rhetorik die Rede ist. Eine Schlagabtauch-Prosa allererster Güte, ein Twitter-Fest in Buchform.

McEwan weiß das natürlich, weshalb eine Überspitzung her muss. Und so schreibt er - in Anlehnung an Kafkas "Verwandlung" - die Geschichte des Protagonisten Jim Sams, der sich eines morgends plötzlich im Körper eines Menschen, eines Premierministers wiederfindet. Gestern noch kroch Sams als Küchenschabe vergnügt durch den maroden Bau, lebte zufrieden in den nassen, verfallenden Gemäuern des Palace of Westminster. Nun, Mensch geworden, müssen Entscheidungen getroffen werden.

Etwas, das fast so absurd ist wie der Brexit

In McEwans Erzählung kämpfen sodann die Reversalisten, die "Umdreher", gegen die Clockwiser, die dem Laufe der Uhr weiterhin folgen wollen. Der Begriff Berexit taucht an keiner Stelle des kleinen Büchleins auf, doch sind die Analogien von vornherein klar. Der Schriftsteller selbst erklärte, er sei verzweifelt auf der Suche nach etwas gewesen, dessen Absurdität mit der des Brexits in etwa übereinstimmen könnte. Da kam ihn die Idee des Reversalismus. Der Kern: Die Prämisse des Kapitalismus umdrehen! Arbeitnehmer bezahlen Arbeitgeber dafür, dass sie arbeiten dürfen. Einkaufshäuser bezahlen die Kunden dafür, dass diese im Geschäft einkaufen. Das kommt doch in etwa hin, oder nicht?


Ian McEwan, Die Kakerlake, Diogenes Verlag, 2019, 112 Seiten, 22 Euro

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