Wie wichtig ist das Lesen für ein politisches Bewusstsein, wie politisch ist Literatur? Regula Venske, Präsidentin des deutschen PEN, plädiert dafür, der Leseförderung einen höheren Stellenwert einzuräumen. Internet und Fernsehen, ist die Schriftstellerin überzeugt, reichen lange nicht aus, um junge Menschen ausreichend auf ein demokratisches Miteinander vorzubereiten.
Regula Venske ist Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin, und seit 2017 auch Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" hat sie sich nun für mehr Leseförderung ausgesprochen. "Leseförderung ist sehr politisch, denn es geht um die Zukunft unserer Gesellschaft", so Venske. "Es kann nicht sein, dass wir so viele Kinder und Jugendliche abhängen. Rund 25 Prozent der Viertklässler können nicht sinnverstehend lesen. Dieses Defizit hat Auswirkungen auf das ganze Leben dieser Menschen, aber auch für die Gesellschaft", sagte die Schriftstellerin weiter in Hinblick auf demokratische und gesamtgesellschaftliche Prozesse.
Skeptisch steht sie vor allem den digitalen und medialen Entwicklungen gegenüber, da sie negative Auswirkungen der digitalen Welt auf das Verhältnis von Menschen zu Text und Informationen befürchtet. Anhand wissenschaftlicher Forschungen sei abzulesen, "dass sich die Gehirne der Menschen schon jetzt mit der Nutzung der sozialen Netzwerke verändern. Das Lesen verändert sich. An Bildschirmen geschieht dieses Lesen sehr selektiv. Texte in Büchern werden intensiver gelesen und die Inhalte entsprechend besser behalten".
Gewalt und Hass im Internet
Insbesondere die Art und Weise wie und von wem das Internet mit welch einer Intention genutzt wird (etwa von Populisten, die ihre eigene Meinung als gesetzt und unfehlbar, abweichende Überzeugungen hingegen als schlicht falsch deklarieren) sollte zu denken geben. Hier kritisiert Venske auch das Berliner Urteil zu den Beschimpfungen der Grünen-Politikerin Renate Künast: "Diese Beleidigungen sind sexistisch und gehen noch dazu mit Aufforderungen zu Gewaltakten einher. Ich kann dieses Gerichtsurteil nicht nachvollziehen."
Kulturpolitik der AFD
Auch auf die Kulturpolitik der AFD ging die Schriftstellerin ein. Hier erwähnte sie das promintente Beispiel Herbert Grönemeyer, dem kürzlich, nachdem er sich klar und deutlich gegen Nazis aussprach, unterstellt wurde, er sei selbst ein Nazi. Diese typischen Strukturen der Umdeutung und Verdrehung seien absurd. "Die AfD verfolgt ein ganz gezieltes Konzept, wenn es um Kultur geht." , so Venske. Und diese Entwicklungen gingen uns alle etwas an.