Brigitte Kronauer - Das Schöne, Schäbige, Schwankende Fragmente des Lebens einer Schreibenden

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Etwa drei Wochen nach ihrem Tod erschien Brigitte Kronauers letztes Buch "Das Schöne, Schäbige, Schwankende". Der Titel des Werks ist unterschrieben mit der Genre-Zuordnung "Romangeschichten". Ein Buch über die Assoziationskraft, über vorüberschwankende Existenzen, und über die Frage nach der sinnstiftenden Kraft der Literatur.

Das kurz nach ihrem Tod erschienende Buch "Das Schöne, Schäbige, Schwankende" der Autorin Brigitte Kronauer, fragt nach den Möglichkeiten und der Kraft der Literatur. Foto: Clett-Kotta


Am 22. Juli ist die merhfach ausgezeichnete Autorin Brigitte Kronauer im Alter von 78 Jahren gestorben. Posthum erschien dieser letze Roman mit dem Titel "Das Schöne, Schäbige, Schwankende". Die virtuose, "zettelhaftige" Erzählweise Kronauers, die in mancherlei Kritik als überanstrengend und wirr gedeutet wurde, ist auch hier wieder anzutreffen. Mehr noch: Die Autorin nimmt sich den Vorwürfen ganz bewusst an, und schreibt offensiv "zettelhaftig", wie es sich eben bei einer Schriftstellerin verhält, die die Kritiken einerseits verstehen kann, allein deshalb aber nicht von ihrer Art und Weise des Erzählens ablassen will.

Vier große Geschichten

Das Buch unterteilt sich grob in vier Blöcke. Im ersten konfrontiert Kronauer uns mit der Schriftstellerin Charlotte, die das Haus eines Ornithologen hüten. Die mit Fotos verschiedenster Vogelarten behangenen Zimmerwände inspirieren die Protagonistin dazu, 39 Miniaturen anzufertigen. Diese erste Geschichte kann als Fundament der folgenden Blöcke betrachtet werden. Im zweiten Block wird von der Krise einer Autorin berichtet. Der dritte ist ein Rückblick in die Nachkriegszeit der BRD, die vierte eine Mathias Grünewald Interpretation eines 92-Jährigen Literaturprofessors.

Anhand dieser vier Blöcke wird schnell deutlich, wie radikal sich Brigitte Kronauer von einem handelüblich Plot entfernt, ohne dabei unzusammenhängend zu erzählen. Die in der ersten Geschichte anzutreffende Charlotte steht in der Blüte ihres Lebens. Sie schreibt wie im Rausch, beinahe Manisch. Es ist eine aufbrechende Kraft, das lebendige der Revolte, eine ans Leben gerichtete Herausforderung, in diesen Zeilen zu finden.

Die folgende "Krisen-Geschichte" könnte demnach eine denkbare Fortsetzung sein. Sie beschreibt die Momente, in denen die zuvor noch leicht abrufbaren Kräfte allmählich versagen. Der Rückblick in die Nachkriegs-BRD, die dritte Geschichte, wäre zugleich das auf der Krise folgende Bewusst-Machen der Wurzeln, ein Erfahrbar-Machen der Gründe des Schreibens. Die vierte und letzte "Romangeschichte" beschreibt schließlich die Auseinandersetzung mit dem Alter.

Ein Alterswerk?

Gerade in diesem letzten Fragment, auf dem letzten Zettel dieser wunderbaren Autorin, steht die große Frage nach der Kraft der Kunst in unserem Leben. Welch eine Bedeutung, so könnte man mit Charlotte aus dem ersten Teil fragen, hat die Manie, das entfesselte, pausenlose und unermüdliche Schreiben am Ende gehabt? Was bleibt? Und kann uns die Literatur einen Sinn geben, der es schafft, ein ganzes Leben auszufüllen? Mit diesen, in einer fabelhaften Sprach gehüllten, Fragen, verabschieden sich Brigitte Kronauer, im traurigsten Sinne des Wortes, von ihren Leser*innen.


Brigitte Kronauer - Das Schöne, Schäbige, Schwankende (Romangeschichten); Klett-Cotta, 2019, 596 Seiten, 26 Euro

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