Nach mehr als einem Jahr nach seiner Freilassung spricht der Journalist Deniz Yücel über seine Zeit im türkischen Gefängnis. Im Oktober soll sein Buch „Agentterrorist“ erscheinen.
Unter dem Titel "Freiheit ist etwas, das man tut" sprach der Journalist und freie Autor Deniz Yücel am Mittwoch (06.06.2019) in Frankfurt über seine Zeit im türkischen Gefängnis. Neben ihm sitzt seine Freunding und Kollegin Doris Akrap, moderiert wurde das Gespräch von Martin Wiesmann.
Im Februar 2017 (nach dem Putschversuch in der Türkei) ermittelte man gegen den Türkei-Korrespondenten und steckte ihn schließlich ins Gefängnis, in den Hochsicherheitstrakt. Eine Anklage blieb dabei aus. Doch auch im Gefängnis schrieb Yücel weiterhin Texte, die er an seine Freundin und Kollegin Doris Akrap weitergab, welche diese mit dem Buch "Wir sind ja nicht zum Spaß hier" im Februar 2018 veröffentlichte.
Schreiben als Akt der Freiheit
Das Schreiben, gerade in Gefangenschaft, sei ein Akt der Freiheit, so Yücel, jeder aus dem Gefängnis herausgeschmuggelte Text ein Stück Genugtuung. Die Inhaftierung sollte ihn zum Schweigen bringen. Dies wollte er um keinen Preis zulassen. So nahm sein täglicher Widerstand die Form des Schreibens an.
Im Laufe des Jahres schaffte es Yücel immer wieder, kürzere Berichte, Artikel und beinahe ganze Buchmanuskripte an die Kontrollen des Gefängnispersonals vorbei, in die Freiheit zu befördern. Insgesamt sind es 496 Seiten, die auch am Abend des Gespräches auf dem Tisch liegen. Die Texte umfassen neben den erwähnten Berichten auch pedantische Beschreibungen und Vorstellungen bezüglich der Buchform seiner bisherigen Texte.
Abschottung
„Ich habe da so Strategiepapiere geschrieben“, erzählt Yücel. Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan von "Terrorismus" sprach, uund damit unter anderem investigative Journalisten wie Deniz Yücel meinte, hatte dieser den Plan, „die Kosten meiner Haft in die Höhe treiben“. Denn alle diplomatische Anstrengungen scheiterten dabei, seine Haftzeit zu verkürzen. „Was tun? Ran an das Kapital“, schlug Yücel vor, der den Alltag im Gefängnis als eine „Einöde aus Stahl, Beton und Stacheldraht“ beschreibt.
Viele der Briefe, die Unterstützer*innen und Freund*innen geschrieben hatten, erreichten Yücel lange Zeit nicht. Lediglich die Briefe seiner Schwiegermutter und später die seiner Ehefrau hatten die Kontrollen im Gefängnis überstanden. Doch in jedem Falle, betont Yücel immer wieder, war die enorme Unterstützung und Solidarität wichtig für ihn gewesen.
Im Oktober soll nun das Buch "Agentterrorist" erscheinen. Mit einen Rückblick auf die Zeit in Haft vollzieht Yücel darin eine Analyse des Zustandes der türkischen Demokratie.
Hier bestellen
Topnews
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Jenny Erpenbeck gewinnt Internationalen Booker-Preis 2024
Karl Ove Knausgård: Das dritte Königreich
Romanverfilmung "Sonne und Beton" knackt Besuchermillionen
Asterix - Im Reich der Mitte
Rassismus in Schullektüre: Ulmer Lehrerin schmeißt hin
14 Nominierungen für die Literaturverfilmung "Im Westen nichts Neues"
"Die Chemie des Todes" - Simon Becketts Bestsellerreihe startet bei Paramount+
Michel Houellebecq und die "Aufstachelung zum Hass"
Dein Recht auf Faulheit!
Regula Venske: Leseförderung ist notwendig in einer Demokratie!
Robert Habeck bei "Spitzentitel" über sein Buch "Von hier an anders"
Anlässlich Barack Obamas Autobiografie: RTL zeigt vorab Dokumentation
Joe Biden: Ein zerrissenes Land heilen
Kampf um die Zukunft: Einstehen für eine demokratische Ordnung
Eklat um Lisa Eckhart: Wer entscheidet, was gezeigt werden darf?
Gespräche über die Chancen einer besseren Welt
Frankfurter Buchmesse findet trotz Corona statt
Bekennt euch zur Literatur!
Preis für Europäische Literatur geht an David Grossmann
Ahmet Altan mit Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet
Frankfurter Buchmesse: Grüße vom "Blauen Sofa" - Termine und Veranstaltungen
"Utopien für Realisten". Rutger Bregman bei ttt - titel thesen temperamente
Martin Sonneborn auf Platz 1 der Paperbackliste
Aktuelles
„Die Hüter der Sieben Artefakte“ von Christian Dölder – Wie ein Fantasyepos die klassischen Regeln neu schreibt
„Blood of Hercules“ von Jasmine Mas – Dark Romantasy trifft Mythos und Macht
„Nebel und Feuer“ von Katja Riemann – Wie vier Frauen inmitten der Krisen unserer Zeit Gemeinschaft, Mut und Sinn finden
Der Pinguin meines Lebens – von Tom Michell - Buch & Filmstart 2025: Rezension einer besonderen Freundschaft
„Mama, bitte lern Deutsch“ von Tahsim Durgun – TikTok trifft Literatur
"The Loop – Das Ende der Menschlichkeit“ von Ben Oliver: Was passiert, wenn Künstliche Intelligenz den Wert des Lebens bestimmt?
„Déjà-vu“ von Martin Walker – Brunos siebzehnter Fall und die Schatten der Geschichte
„Der Besuch der alten Dame“ – Wie Dürrenmatts Klassiker den Preis der Moral entlarvt
„Der Hundebeschützer“ von Bruno Jelovic – Wie aus einem Fitnessmodel ein Lebensretter für Straßenhunde wurde
Für Martin Suter Fans: „Wut und Liebe“ -Wenn Gefühle nicht reichen und Geld alles verändert
„Rico, Oskar und die Tieferschatten“ – Warum Andreas Steinhöfels Kinderbuchklassiker so klug, witzig und zeitlos ist
Abschied: Peter von Matt ist tot
„Hoffe: Die Autobiografie“ von Papst Franziskus – Was sein Leben über die Welt von heute erzählt
„Hunger und Zorn“ von Alice Renard – Was der stille Debütroman über Einsamkeit und Empathie erzählt
»Gnade Gott dem untergeordneten Organ« – Tucholskys kleine Anatomie der Macht
Rezensionen
„Der Gesang der Flusskrebse“ – Delia Owens’ poetisches Debüt über Einsamkeit, Natur und das Recht auf Zugehörigkeit
„Der Duft des Wals“ – Paul Rubans präziser Roman über den langsamen Zerfall einer Ehe inmitten von Tropenhitze und Verwesungsgeruch
„Die Richtige“ von Martin Mosebach: Kunst, Kontrolle und die Macht des Blicks
„Das Band, das uns hält“ – Kent Harufs stilles Meisterwerk über Pflicht, Verzicht und stille Größe
„Die Möglichkeit von Glück“ – Anne Rabes kraftvolles Debüt über Schweigen, Schuld und Aufbruch
Für Polina – Takis Würgers melancholische Rückkehr zu den Ursprüngen
„Nightfall“ von Penelope Douglas – Wenn Dunkelheit Verlangen weckt
„Bound by Flames“ von Liane Mars – Wenn Magie auf Leidenschaft trifft
„Letztes Kapitel: Mord“ von Maxime Girardeau – Ein raffinierter Thriller mit literarischer Note
Good Girl von Aria Aber – eine Geschichte aus dem Off der Gesellschaft
Guadalupe Nettel: Die Tochter
„Größtenteils heldenhaft“ von Anna Burns – Wenn Geschichte leise Helden findet
Ein grünes Licht im Rückspiegel – „Der große Gatsby“ 100 Jahre später
"Neanderthal" von Jens Lubbadeh – Zwischen Wissenschaft, Spannung und ethischen Abgründen
