Der österreichischer Schriftsteller Robert Menasse legte Walter Hallstein (erster Kommissionspräsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) erfundene Zitate in den Mund und dichtete ihm eine Rede in Auschwitz an. Nach von der Tageszeitung "Die Welt" ausgehenden Vorwürfen gesteht er sich nun Fehler ein.
Medienberichten zufolge legte Robert Menasse in verschiedenen, auf Walter Hallstein bezogenen Reden und Kommentaren, diesem erfundene Zitate in den Mund und behauptete fälschlicherweise, Hallstein hätte seine Antrittsrede als erster Kommissionspräsident des EU-Vorläufers Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gelände des früheren NS-Vernichtungslagers Auschwitz gehalten. Nach einigen Vorwürfen zum Umgang mit Zitaten und historischen Daten entschuldigte sich Menasse nun in einem für die Tageszeitung "Die Welt" verfassten Beitrag für sein Handeln.
"Die Anführungszeichen waren, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, ein Fehler", schreibt der 64-jährige Autor und Träger des Deutschen Buchpreises. "Dafür entschuldige ich mich, das tut mir leid." Die rheinland-pfälzische Landesregierung überprüft indessen die für den 18. Jänner geplante Ehrung Menasses mit der Carl-Zuckmayer-Medaille.
Er hatte es so gemeint
Einige dieser zugeschriebenen Zitate, wie etwa: "Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee!", verteidigte Menasse noch vor Jahresende gegenüber der "Welt". "Hallstein sagte das nie so zugespitzt, man müsste lange Passagen zitieren, um diese Position ableiten zu können." Menasse ist sich allerdings sicher: Hallstein habe genau das sagen wollen. "Die Quelle ist korrekt. Der Sinn ist korrekt. Die Wahrheit ist belegbar. Was fehlt, ist das Geringste: das Wortwörtliche. Was kümmert mich das Wörtliche, wenn es mir um den Sinn geht?"
"Künstliche Aufregung"
In seinem Beitrag betont der Wiener Autor, er selbst habe an diversen Stellen darauf hingewiesen, dass es sich bei seinen "Zitaten" lediglich um eine sinngemäße Wiedergabe handelt. Die Kritik an seinem Umgang mit Zitaten hält er daher für eine "künstliche Aufregung".
Hinsichtlich der fälschlischen Information zur Hallstein-Rede in Auschwitz erklärt der Schriftsteller weiterhin, er habe diese Information bei seinen Recherchen für den Roman "Die Hauptstadt" bekommen und ohne Überprüfung verwendet, " denn für Romane gelten andere Regeln als für Doktorarbeiten. Falls dieses Detail als historisches Faktum missverstanden wurde, tut mir das leid."