Wer in dem neuen Roman von Christoph Hein mit dem Titel „Verwirrnis“ eine erotische Geschichte über zwei homsosexuelle Jugendliche in der ehemaligen DDR sucht, wird sicher enttäuscht sein. Die Beziehung zwischen den beiden ist eher ein Rahmen, der uns durch die Zeit der DDR vor dem Mauerbau bis in die Zeit der Wiedervereinigung führt. Kritisch geht Hein insbesondere mit den Staatsdienern beider System ins Gericht.
Unsere beiden Helden heissen Friedland und Wolfgang, beide leben im katholischen Heiligenstadt, es ist die Anfangszeit der DDR. Wie sooft stehen in den Erzählungen von Christoph Hein, der selbst als Sohn eine Pfarrers aufgewachsen ist, Staatsdiener im Mittelpunkt - und so ist Wolfgangs Vater Studienrat und Friedland ist der Sohn eines Pfarrers. Wolfgangs Vater wurde sehr streng und mit Schlägen, Schlägen mit einem Siebenstriemer erzogen, und diese Familientradition gibt Wolfgangs Vater auch an seinen Sohn weiter.
Die strenge preußische Erziehung ist die Leitlinie des Staatsdieners, der den Balanceakt von der Nazizeit zu den Kommunisten gemeistert hat und dabei seinen strengen kastilischen Glauben nie geleugnet hat. Doch das freie Denken des Vaters, das ihn durch die Systeme geleitet hat, stösst zwangsläufig an eine Grenze und dies ist sein Sohn Wolfgang. Die Grenze heisst Erziehung ohne Schläge und die Akzeptanz eines homosexuellen Sohns. Diese Grenze wird sein Vater nie überwinden können und Wolfgang weiss das, er wird seinem Vater nie die Wahrheit über seine Neigung verraten und das wird Wolfgang zeit seines Lebens belasten. Und dennoch ist Wolfgang der Sohn seines Vaters, eher wird auch Staatsdiener als Professor an einer Universität, er wird sich mit den System arrangieren ohne seine eigenen Gedanken zu verleugnen und auch eher wird scheitern, wenn auch auf eine andere Art.
Wie immer geht Christoph Hein mit dem Staat kritisch ins Gericht. Dabei spielt es keine Rolle, ob es die Kommunisten sind, die Kirche oder die Beamten der Bundesrepublik, die nach dem Mauerfall über die Reste der DDR herfallen und stoisch ihre Verwaltungsstrukturen im Osten Deutschlands errichten. Sehr Detailliert zeigt Hein den Niedergang der Leipziger Universität, immerhin einer der ältesten Universitäten Deutschlands. Sicher auch aus persönlicher Betroffenheit und Verbundenheit zu seiner Heimat, erfährt man aus der Sicht ostdeutscher Professoren vom Einmarsch deutscher Staatsdiener, vom rigerosen Stellenabbau und der Verhökerung von Immobilen der Universität. Beiläufig aber wohl platziert erwähnt Hein die Tatsache, dass die vielen Immobilien, die die Leipziger Uninversität einst bessen hat, Spenden von Kaufläuten waren, die sich mit der Uni verbunden sahen. Dabei ist die Leipziger Uni nur ein Beispiel für die sinnlose Zerstörung von Werten in ostdeutschen Kommunen, die nach der Wende stattgefunden hat.
„Verwirrnis“ ist das Buch eines Getriebenen, der in keinem System angekommen ist und die Dinge kritisch hinterfragt. Wie immer, folgende seine Bücher einer strengen Konstruktion, die manchmal die Geschichten etwas gekünstelt wirken lassen, aber wer das Buch bis zum Schluss liest, wird mit einer sehr schöne Geschichte und einer Zeitreise durch osttdeutsche Vergangenheit belohnt. Das Buch ist im Sommer 2018 beim Suhrkamp Verlag erschienen.
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