In seinem neuen Roman Unternehmer erzählt Matthias Nawrat die Geschichte einer Familie, die noch an der großen Erzählung "Tüchtigkeit" glaubt. Fleiß, Pflichtbewusstsein und Ehrgeiz bringen dich überall hin! Der ausgehungerte amerikanische Traum. Können wir das schaffen?
Wer von einem Bauernhof auf Neuseeland träumt, muss früh anfangen zu sparen. Im Falle der 13- Jährigen Lipa bedeutet dies, in leerstehenden Industriehallen im Schwarzwald nach Elektroschrott zu suchen, um diesen gegen "Klimpergeld" beim Schrotthändler abzugeben. Gemeinsam mit Bruder Berti arbeitet sie als "Assistentin" im sogenannten Familienunternehmen ihres Vaters. Und um ihren Job dort einwandfrei ausführen zu können, ist es ganz legitim die Schule zu schwänzen. Schule, das ist Zeitverschwendung, das ist wie arbeitslos sein. Lipa weiß: "Das echte Unternehmertum fängt im Herzen an und hat mit Mut zu tun".
Die Kinder scheinen die Ideologie des Kapitalismus durch und durch verinnernlicht zu haben. "Die Familie ist Kapitalgesellschaft" hatte der Vater einmal erklärt, und daran hält man sich schließlich. Kindsein ist hier keine Alternative, der Markt wartet nämlich ungern und man hat zu wirtschaften. Besser gestern als heute.
Die Geschichte eines auf die Spitze getriebenen, wütenden Unternehmergeistes, die zugleich eine wunderbare Karrikatur unserer Leistungsgesellschaft darstellt. Ob Lipa und Berti jemals aus dem industriellen Schrottsammeljungle herauskommen, sei hier nicht verraten. Nur soviel: Als die Familienunternehmens-Spitze, der Vater, aufgrund eines bei ihm vermuteten Hirntumors ins Krankenhaus eingeliefert wird, erfahren die Kinder die bittere Kehrseite des freien Marktes.
Matthias Nawrat, Unternehmer, Rwohlt Verlag, 2018; 144 Seiten, 15, 49 €