Wutausbrüche, Beschimpfungen und Kommentare die mit „!!!!!!!“ (wahlweise auch mit „111111“) enden, gehören zum Alltag unserer Internetlandschaft. Der Journalist und Autor Hasnain Kazim bekommt täglich rassistische Mails zugesand. Einige, vielleicht die Besten unter ihnen, landeten in seinem Buch „Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte“.
"Wenn ich über ein kontroverses Thema wie Islam, Flüchtlinge oder Ausländer schreibe, dann kommen gerne auch mal bis zu zweieinhalbtausend Mails."erzählt Hasnain Kazim über die regelmäßigen Konfrontationen mit rechter Hetze. Seinen ersten „Hassbrief“ bekam der "Spiegel Online“ Journalist im Alter von 17 Jahren, in Form einer Antwort auf einen Schülerartikel, den er für die Tageszeitung geschrieben hatte. Da steckte noch viele Mühe dahinter: Briefmarke, Umschlag, Versand. In Facebook-Twitter-Instagram-Zeiten ist das Verfassen eines „Meine-Meinung“ - Postings im Vergleich dazu wesentlich einfacher geworden. Daher auch die Masse der "Meinungen", die Hasnain Kazim täglich zu lesen bekommt. Diese reichen von: "Du bist ein Islamist!!!!!! Du willst Deutschland übernehmen!!!!!! Ich werde handeln!!!!!“, bis: „Man sollte dich abschieben, mit einem Schlauchboot direkt aufs Mittelmeer!!!!!“. Und fragt man sich nicht allen ernstes, woher all die Ausrufezeichen kommen? Ein abschließender „Punkt“, wäre doch eigentlich wesentlich deutscher, oder?
Meine Meinung!!!!
Kazim betont, dass es kein neues, sondern ein altes Rassismusproblem gibt. Das Internet macht eben nur bequemer, senkt die Hemmschwelle und sortg letztlich dafür, dass Alltagsrassismus leichter geäußert werden kann. Auch würden die Leute eher zu ihrem Hass stehen, anstatt anonym zu schreiben: "Immer mehr Leute schreiben unter ihrem Klarnamen.“ erläutert Kazim. Er bekomme sogar E-Mails, in deren Signatur die Adresse und Telefonnummer des Absender steht.
Zwei Jahre lang hat der Journalist den Mails und Postings konsequent geantwortet. 52 dieser Korrespondenzen versammelt sein Buch, welches komisch und erschreckend zugleich ist. Sätze wie "Ich wünsche mir, dass Sie im Gasofen landen, ich wünsche mir, dass wir Deutsche mit Euch Muslimen das Werk vollenden, das wir mit den Juden begonnen haben." gehen dann doch nicht restlos an einem vorbei. Nicht nur der Autor fragt sich an solchen Stellen, wie wohl jemand ticken muss, der anderen Leuten den Tod wünscht.
Dem Hass entgegnen
Das Schönste an dem Buch ist sein didaktischer Charakter. Die Art und Weise nämlich, wie Kazim auf jene hasserfüllten Mails antwortet, ist zugleich ein Beispiel dafür, wie entwaffnend man den Witz einsetzen kann. Doch auch jenseits des Witzes (der immer auch Abwehr und ein klein wenig Verbunkerung bedeutet) stellt das Buch eine der wohl gegenwärtig dringlichsten Fragen: Wie kann man mit Menschen, von denen eine derartige Verachtung ausgeht, in Dialog treten? Manchmal gelingt es dem Autor, durch seine Argumentationsweise kleine Erfolge zu erzielen:
„Marianne M: Moslem bleibt Moslem, das sieht man doch an Ihrem Namen.
Kazim: Liebe Marianne, ich darf Sie doch sicher Marianne nennen, oder? Dann sind Sie sicher Volksmusiksängerin. Wer Marianne heißt, muss Volksmusiksängerin sein!
Marianne M: Lieber Herr Kazim, danke, dass Sie mir ... geantwortet haben. Sie haben recht, ich hätte nicht gleich von Ihrem Namen auf Ihre Religion schließen sollen.“
Tagtäglich wird direkt vor unseren Augen millionfach Hass und Verachtung verbreitet. Von allen Seiten. Hasnain Kazim´s Buch verdeutlicht, dass es bisweilen häufig an Humor im Umgang mit mit diesem Phänomen fehlte. Es verdeutlicht aber auch, dass der Witz allein als Antwort nicht ausreichen wird. Die Größe des Buches besteht gerade darin, die Herausforderung zu verdeutlichen, welche die Pöbelkultur für uns darstellt. Denn weder der Witz, noch stringende Argumentationsmuster können hierbei als allround-Lösungen angesehen werden. Vielmehr müsste es Aufgabe sein, zwischen diesen Wegen zu flottieren und zu versuchen, dort kontruktiv zu sein, wo sich die Gelegenheit ergibt. Dies tut Hasnain Kazim hier. Ein wichtiges Buch, ohne Lösungen; eine Dokumentation der Versuche!
Hasnain Kazim, "Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte", Penguin Verlag, 2018, 272 Seiten, 10 € (Taschenbuch), 12, 99 € (Audio-CD)