Mit seinem Sachbuch „Das ist Alpha! Die 10 Boss-Gebote“ hat der deutsche Rapper Kollegah innerhalb kürzester Zeit die Bestsellerliste erklommen. Jede andere Position hätte dem Buch auch widersprochen. Dieses liefert ein Sammelsurium „bosshafter“ Gebote und zeigt auf, wie ein Großteil deutscher, junger Männer leben will.
Was könnte ein 14-Jähriger tun, wenn er nicht gerade dabei ist die ersten Pickelchen auszudrücken oder sich über ein McFit-Abo zu informieren? Richtig: Kollegah lesen. Nicht Kollegah lesen tun wahrscheinlich: 14-Jährige Mädchen, 14-Jährige Homosexuelle, Waschlappen, Muschis, Fridoline, Versager. Diesen Personengruppen bleibt der mit Selbstbewusstsein gepflasterte Weg in die goldenen Hallen der Bosse verwehrt. Dennoch bleiben sie nicht ganz außen vor. Mädchen beispielsweise, bieten sich wunderbar als Trophäen am Wegesrand an, die der junge, deutsche, männliche Alpha auf seinem Feldzug in Richtung Bosshaftikeit zur Selbstmotivation erobern kann. Kollegah umschreibt das etwas kreativer: „Sex zu bekommen wird dank deiner Bossaura für dich so alltäglich und selbstverständlich werden wie pissen gehen..." Da spiegelt sich - schön, schlicht und kapitalistisch - der Erfolg im Verbrauch. Mütter! nehmt euren Töchtern die Handys weg, Kolja muss mal! Waschlappen sind übrigens auch nicht gerade von geringer Bedeutung. Als Gegenentwurf: „Spann mal an! Was, das ist alles? Du Lauch!“.
Die Jugend liest wieder!
Nun kann man natürlich froh sein, dass die Jugend überhaupt wieder liest! Die Jungs Kollegah und die Mädchen die WhatsApp Nachrichten der Kollegah-Lesenden Jungs. Bildungsauftrag erfüllt. Und klar, niemand bestreitet das dieser Ratgeber das Zeug dazu hat, aus unsicheren Jungs echte Kerle zu machen, die voller Selbstbewusstsein ihren ähhh... Kollegahs Weg gehen. Ob man echte Kerle so unbedingt haben will, ist ja ne andere Frage (an dieser Stelle oute ich mich, unverständlicherweise übertrieben selbstbewusst, als Lauch). Die im Buch abgebildeten Fotos zeigen wo der Weg hinführen soll: Kollegah steht Zigarre rauchend auf einem Dach, Kollegah sitzt auf güldenen Stühlen, Kollegah spannt an, Kollegah trägt Goldketten, Kollegah hat Geld, Kollegah sagt dir: „Und es wird der Tag kommen, an dem du den kleinen Lauch, der damals dieses Buch kaufte, nicht mehr wiedererkennst”. Später kommt dann der Tag, an dem du deinem Sohn aus „Das ist Alpha! Die 10 Boss-Gebote“ vorliest, mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig seinen Bizeps prüfst, und dich währenddessen auf den nächsten Blowjob deiner Sekretärin freust. Mutti putzt nebenan.
"Hast mich motiviert meine Hausaufgaben zu machen"
Was aber, wenn ein Alpha gewordener Junge auf eine selbstbewusste Frau trifft? Die solls ja geben. Was wenn dieses auf dem Tablou der Perspektivlosigkeit aufgebaute Hirngespinst nicht länger trägt, und die Welt nicht weiterhin in „hier der schwere, dort der leichte Weg, entscheide dich, sei Mann!“ einzuteilen ist? Kollegahs Apotheose wird sicher mit einem Augenzwinkern vollzogen, doch die vermittelten Werte nicht augenzwinkernd aufgenommen. Unter dem Musikvideo „Wie ein Alpha“ schreibt ein User: „Hast mich motiviert meine hausaufgaben zu machen “. Nicht schlecht. Doch bedeutet dies im von Kollegah vorgelegtem Narrativ: „Ich mache heute meine Hausaufgaben, um später in einer delegierenden Position arbeiten zu können.“. Letztlich gilt auch hier, dass Regeln gebrochen, vorgelegte Werte hinterfragt und „Gebote“ nicht stumpf befolgt werden sollten, um vielleicht irgendwann einmal zu dem zu gelangen, was man Selbstbewusstsein nennen kann.
Kollegah, "Das ist Alpha! Die 10 Boss-Gebote", erschienen im Riva Verlag, 256 Seiten, 22 Euro