Am 10. November werden die Balkone Europas zu politischen Bühnen. Denn europaweit wird von ihnen an diesem Tag eine nachnationale Republik ausgerufen.
Am 9. November 1918 wurde von einem berliner Balkon aus die Republik ausgerufen. Zum Jubiläum dieses politischen Ereignisses haben sich europaweit Künstler und kulturschaffende Institutionen dazu entschieden, einen nächsten Schritt einzuleiten: die Gründung einer Europäischen Republik. Der Schriftsteller Robert Menasse wird hierzu am 10. November in Weimar ein Manifest verlesen. Insgesamt sind es über 100 Kulturinstitutionen, die an der Aktion teilnehmen, unter anderem das Nationaltheater Gent, das Thalia Theater Hamburg und das Burgtheater Wien. Zuletzt haben auch Aktivisten in Vilnius, Malmö, Belgrad und Brünn ihre Beteiligung bestätigt.
Zu den Initiatoren des "Balcony Projects" gehören neben Rober Menasse die Politologin Ulrike Guérot und der Schweizer Regisseur Milo Rau. Ziel der Aktion ist es, die aktuell sehr angespannten politischen Debatten zu sensibilisieren. Die Idee sei nicht, so Menasse, einen "Superstaat" zu entwickeln, sondern zu verdeutlichen, dass die derzeitige EU demokratisiert werden muss. Regierungen die lediglich nationale Interessen verfolgen, stehen einer demokratischen Idee weiterhin und immer vehementer im Wege. Das "Balcony Project" soll dieser Idee nun eine neue - bewusst auf die Geschichte verweisende - Bühne geben. Internationale Probleme können nicht auf nationaler Ebene gelöst werden! Das Manifest fordert nicht weniger als den Europäischen Rat "abzusetzen" und dem Europäischen Parlament somit ein Initiativrecht zuzuerkennen. Nationale Blockarden sollen aufgelöst werden, um den derzeit immer populärer werdenden rechtsnationalen Parteien Widerstand zu leisten. Im Manifest heißt es: „Wir begründen die Europäische Republik auf dem Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit jenseits von Nationalität und Herkunft.“
Die Aktivisten und Initiatoren wünschen sich Partizipation Kulturschaffender aller Sparten, um den gemeinsamen Ausruf als künstlerische Intervention, laut und prominent, in die Gesellschaft zu tragen. Dabei ist klar, dass sich die Idee nicht sofort umsetzen lässt. In Österreich wird die Aktion von der Schriftstellerin Elfriede Jelinek, dem Schauspieler Peter Simonischek und der Autorin Kathrin Röggla unterstützt. Heut, am 23. 10. 2018, wird entschieden werden, wer das Manifest vom Balkon des Burgtheaters aus verlesen wird.