André Georgi beschäftigt sich in seinem zweiten Roman „Die letzte Terroristin“ mit der dritten RAF Generation und beschreibt eine mitreißende Geschichte ideologischer Getriebenheit.
Basierend auf den Morden an Deutschen Bank Chef Alfred Herrhausen und dem Vorsitzenden der Treuehandanstalt Detlev Karsten Rohwedder, erzählt André Georgi eine aufreibende Geschichte über die dritte Generation der RAF, deren Machenschaften mit dem Zugriff am Bahnhof Bad Kleinen (im Buch Bad Gronau) ihr Ende fand. Im Mittelpunkt steht hierbei vor allem der Anschlag auf Rohwedder, der im April 1991 in seiner Düsseldorfer Villa von einem Scharfschützen erschossen wurde.
Wie schon „Tribunal“, der erste Roman André Georgis, basiert auch „Die letzte Terroristin“ auf ein eigenes Drehbuch des Autors, der vor allem „Tatorte“ und andere TV-Krimis schreibt. Die Verfilmung des Romanes wird unter dem Titel „Der Mordanschlag“ im November als Zweiteiler im ZDF zu sehen sein. Da es bereits während den Vorbereitungen zum Film einige Aufregungen und juristische Einwände gab, war Georgi gezwungen, Namen von Opfer und Täter im Drehbuch abzuändern (Der Treuehandchef Detlev Karsten Rohwedder beispielsweise heißt im Buch Hans-Geord Dahlmann). Hierdurch ergaben sich allerdings auch gewisse Freiräume, die es dem Autor erlaubten, neben den realistischen Figuren, die als Vorlage dienten und zweifelsfrei wiederzuerkennen sind, weitere Figuren hinzuzuerfinden. So wie Sandra Wellmann, eine Jugendfreundin von Dahlmanns Tochter, die sich - inzwischen Sympathisantin der RAF- als Assistentin des Treuhand-Chefs anstellen lässt. Eine Vertraute als Türöffner für Terroristen, historisches Vorbild war hier Susanne Albrecht, die 1977 die Ermordung des Bankmanagers Jürgen Ponto ermöglichte.
Besonders auffällig sind die abrupten Perspektivenwechsel innerhlab der Erzählstruktur, die den Leser immer wieder antreiben, Auf- und Erregung suggerieren. Georgi erzählt abwechselnd aus der Sicht von RAF-Terroristen, BKA-Agenten und Politikern, wodurch eine enorme Dichte und Vielschichtigkeit entsteht. Neben all der Aufregung sind es die politischen Fragestellungen, die sich innerhalb eines sich im Umbruch befindlichen Systems zwangsläufig auftun, und im Roman anzutreffen sind: Wer hatte ein wirkliches Interesse daran, Rohwedder/Dahlmann zu ermorden? Die RAF, in der Hoffnung, dass der Hass gegen die Treuhand ihnen neue Unterstützer einbringen würde? Die Stasi, worüber damals tatsächlich spekuliert wurde? Westdeutsche Unternehmer, denen Rohwedder im Weg war? Endgültig aufgeklärt wurde der Mord nie; auch wenn die RAF sich dazu bekannt hatte, bleiben bis heute viele offene Fragen. Eine Stärke des Romans ist es, keine entgültigen Antworten liefern zu wollen, stattdessen aber auf Vieldeutigkeit, Ungewissheit und Unstimmigkeiten hinzuwiesen.
André Georgi: Die letzte Terroristin, Suhrkamp, 361 Seiten, 14, 95 Euro