Der deutsche Maler Gerhard Richter hat gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler und Dichter Amir Eshel ein Bild- und Textband erarbeitet, in dem sich Bildsprache und Dichtung auf kongeniale Weise gegenüberstehen.
2014 beendete Gerhard Richter seinen aus vier Gemälden bestehenden Birkenau-Zyklus, dessen Ausgangspunkt Fotografien von Häftlingen im Krematorium des NS-Vernichtungslagers waren. Die nicht unumstrittenen, abstrakten Gemälde Richters wurden später wiederum Grundlage eines Gespräches, welches der Künstler gemeinsam mit Amir Eshel 2016 in seinem Atelier führte. Kernpunkt ihrer Konversation war die Frage danach, ob und wie man den Holocaust mit den Mitteln der Kunst darstellen könne. Eine Frage, die freilich nicht erst innerhalb dieser Diskussion aufgekommen ist, sondern immer wieder Thema diverser künstlerischer sowie philosophischer Auseinandersetzungen war. Sofort erinnert man sich an die Aussage Theodor W. Adornos, der in seinem Aufsatz "Kulturkritik und Gesellschaft" schrieb: "nach Ausschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch". Die Begegnung der beiden Künstler jedenfalls hat Spuren hinterlassen die nun zu einer gemeinsamen Arbeit geführt haben.
Der Band "Zeichnungen - Gedichte und Bilder" entspringt nämlich dem besagtem Gespräch zwischen Dichter und Maler. Amir Eshel schrieb Gedichte zu den Motiven aus Richters Werk 40 Tage, der diese daraufhin noch einmal überarbeitet und verändert hat. Das Resultat ist der spürbare Versuch, die Mittel und Kräfte der künstlerischen Bearbeitung auszuloten. Richters fragilen Zeichnungen, die in ihrer Serie von sich aus bereits ein gewaltiges, poetisches Narrativ aufweisen, wird durch den Gedichten Eshels auf subtile Weise eine mögliche Lesart beigelegt. Die Gedichte werden dabei in deutscher und hebräischer Sprache wiedergegeben.
Amir Eshel, Gerhard Richter: Zeichnungen - Gedichte und Bilder, Suhrkamp / Insel Verlag, 2018, 48 €