Ich brauche ganz dringend einen Ring mit einem grünen Stein, sage ich zu meinem Mann, und ich habe ihn schon gefunden, aber es gibt da noch einen, der mir sehr gut gefällt, mit einem orangenem Stein. Du musst mitkommen und bei der Wahl helfen!!
Sonst hast du keine Probleme? fragt er und schaut gedankenverloren zum Fluss hinunter. Doch! sage ich. Das Boot ist weg! Jemand hat es geklaut, oder es ist untergegangen, oder die Flut hat es mitgenommen!
Mein Mann jedoch zeigt keinerlei Interesse, wahrscheinlich denkt er gerade Witze aus.
Also lasse ich ihn brüten und radle in die Stadt. Die Flüsse sind randvoll, aber noch in ihren Betten. Seit vorgestern herrscht Katastrophenalarm in Leipzig, Schulen und Kindergärten in unserer Gegend bleiben geschlossen. Das reißende Wasser ist karamellbraun. Ich aber denke an den waldmeistergrünen Ring, der Stein sieht aus, als könnte man ihn lutschen... Ich weiß genau, wonach er schmecken würde.
Der Juwelier ist erfreut, mich wieder zu sehen. Immerhin komme ich schon zum dritten Mal. Ich nehme den Grünen! rufe ich schon in der Tür. Er nimmt den Ring aus der Vitrine und ich stecke ihn an meinen Finger. Schööön!
Dann schiele ich noch ein letztes Mal nach dem apfelsinenfarbenen Schmuckstück. Könnte ich noch mal...? frage ich. Aber ja, sagt der Verkäufer und öffnet wieder die Vitrine.
Auch schön, so warm leuchtend... Ach, vielleicht nehme ich doch diesen?
Wenn ich Ihnen noch einen ähnlichen zeigen dürfte, sagt der Mann, der könnte Ihnen auch gefallen... Und nimmt aus einer anderen Vitrine einen wunderschönen Ring mit einem schwarzen Stein. Herrlich! Wie der funkelt! Ich nehme den schwarzen! sage ich.
Und haben Sie diesen hier gesehen, flüstert er wie die Schlange im Paradies und reicht mir einen noch herrlicheren Ring mit einem Mondstein.
Das ist zu viel für mich! Seit Jahren denke ich ab und an daran, mir einen Ring zu kaufen, ich habe mir noch nie einen Ring gekauft! Bei Bedarf trage ich abwechselnd zwei Ringe meines Kindes. Der eine kommt aus dem Kaugummiautomaten und hat ein großes rotes Herz aus Glas. Der andere ist ein Stimmungsring: der ovale Stein ist der Körper einer großen silberfarbenen Spinne. Den habe ich jetzt am Finger und er wechslte die Farbe so schnell, dass ich kaum sehen kann, welche gerade erscheint... Was mir egal ist, denn auch ohne den Deutungszettel (den ich schon lange verloren habe) weiß ich, dass ich gerade nicht besonders ausgeglichen bin.
Sie haben mich restlos verwirrt, sagte ich zu dem Mann, der zu seinen blauen Augen nur einen dunklen Bart trägt, was ihm gut steht. Der Glückliche! Braucht sich keine Gedanken über schmückendes Beiwerk zu machen... Ich komme wieder, sage ich zum Abschied und verlasse den Laden.
Auf dem Weg nach Hause komme ich an einem Immobilienmaklerbüro vorbei, an einem, das mit Traumvillen handelt. Ich halte an (denn die Sonne scheint gerade auf dieses Fleckchen hernieder) und betrachte das Schaufenster. Wenn ich schon keinen Ring für 89 Euro gekauft habe, dann schaue ich wenigstens kleine Märchenschlösser für 1,5 Millionen an. Eine Traumvilla an der Mulde, ein Schloss am Elbestrand, ein herrschaftliches Anwesen mit Park direkt an der Weißen Elster im thüringischen Greiz, das “...durch seine Kernsanierung einer neuen wirtschaftlichen Nutzung zugeführt, die nicht nur aus Renditegesichtspunkten sondern auch aus emotionaler Sicht eine in die Zukunft immer wachsende Wertigkeit garantiert” (so die Makler-Poesie).
Ja, der neuen Hausbesitzer Emotionen werden dort immer wachsen, je nach Wetterlage.
Die Preise werden wahrscheinlich bald sinken, wie hoffentlich auch der Pegelstand der wild gewordenen Gewässer. Window-shopping ist ein angenehmer Zeitvertreib.
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