An der Supermarkt-Kasse vor mir steht ein junger Mann in verstaubter Bauarbeiter-Montur und hält der ebenfalls jungen Kassiererin einen 500-Euro-Schein hin. Er will eine Zuckerwasserflasche bezahlen. Die Kassiererin kann nicht wechseln. Entschuldigend sagt der Mann, er hätte gerade diesen Schein als Lohn bekommen und kleiner hätte er es leider nicht. Bar auf die Hand? Gibt es das noch? frage ich. Natürlich bleibt er mir die Antwort schuldig.
Ähnlich viel Geld (wenn auch nicht in Form von Banknoten) strecken Männer Frauen entgegen, mit denen sie sich zu verloben gedenken. Sie halten der Dame eine klobige, aufgeklappte Schachtel vor die Nase, darin ein Ring. Die Augen der überwältigten Frau werden in solchen Momenten groß, sie ringt nach Luft wie ein gestrandeter Karpfen, bis sie endlich stottert “Für mich? Oh, ist der aber schön!”
Der Schauplatz ist nicht das wirkliche Leben, es ist Deutsches Fernsehen, und meist stellt diese Szene einen Höhepunkt in einem weich gespülten Filmchen dar, geschmackvoll abgerundet von der bald darauf folgenden Hochzeit unter Rosenranken und natürlich ist Mai, der Himmel blau und die Sonne scheint.
Verstehe wer will, warum Verlobungsringe immer in diesen unschönen gepolsterten Kartonagen präsentiert werden. Abgesehen von den seltenen Episoden, wo das Schmuckstück im Lachsbrötchen versteckt oder im Champagnerglas versenkt wurde... Was aber den Drehbuchautoren aus versicherungstechnischen Gründen bald streng untersagt wurde, denn es gab haufenweise Nachahmer unter den Zuschauern: Abgebrochene Zähne, böse Verletzungen der Speiseröhre und ähnlich Unappetitliches kam dabei heraus. Drohgebärdige Anwaltsschreiben an die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten folgten. Ob es Schmerzensgeld gab, entzieht sich meiner Kenntnis, jedoch halten sich die Autoren seit dem einfallslos an der Schachtel fest.
Und warum sagt die so Beschenkte nie: “Also, der Ring gefällt mir ÜBERHAUPT NICHT! NICHT MEIN STIL! Hättest du mich doch vorher gefragt, was ich gut finde! DER PASST SO WENIG ZU MIR WIE DU!”
Blumen im Papier zu verschenken ist ein Frevel, sagt der alte Meister Knigge. Was sagt er zu den in Verpackungen dargebotenen Juwelen? Darüber habe ich leider nichts gefunden. Aber vielleicht soll das Überreichen der Schachtel (die mich im geöffneten Zustand entfernt an eine Miniatur-Kloschüssel erinnert), der Auserwählten diskret ihre zukünftigen Pflichten andeuten?
“Ich muss mein Leben ändern, ich brauche endlich eine Putzfrau... und eine Köchin! Mein Apartment verkommt und das ewige Auswärtsessen schlägt mir auf den Magen”, sagt ein in die Jahre gekommener Junggeselle in einem meiner Lieblingsbücher zu seinem besten Freund. “Warum heiratest du nicht?” fragt dieser, seit kurzem im ehelichen Hafen glücklich Gelandeter.