Im Garten ist immer noch Winter. Kein zartes Grün, kein leuchtendes Gelb. Sogar die frühblühende Kornelkirsche sieht matt aus. Meine Haare werden auch schon langsam grau, mein Gemüht ebenfalls, da hilft nur eins: Tanzen! Paartanzen!
Das Paartanzen ist eine große Herausforderung für jede Beziehung. Der Mann wird an seine Qualitäten erinnert. Führungsqualitäten! Männer! Ihr müsst nicht auf die arabischen Länder neidvoll schielen... kommt tanzen! Dort haben die Damen nichts zu melden, sie sind zum Folgen verdammt, denn sonst funktioniert der Tanz nicht.
Und siehe da, spätestens nach der 5. Tanzstunde gibt es kaum noch Rangeleien untern den Paaren, manch ein Herr wußte gar nicht, wie einfach es ist, das Zepter in die Hand zu nehmen.
“Toll, Schatz”, hörte ich gestern auf dem Parkett eine Brünette nicht gerade flüstern, “jetzt kannst du auch den Kochlöffel übernehmen, immer rechts herum, ist noch einfacher als Walzer!”
Blaue Damenzehen soll es ebenfalls nur noch selten geben, hört man, und wenn doch, dann werden sie daheim von Herrenhänden liebevoll mit heilenden Salben bestrichen. Dass dabei auch Lustempfinden zum Vorschein kommt, ist für den “Verarztenden” vielleicht ein überraschender und für die Dame ein sehr angenehmer Nebeneffekt.
Gelingt es einem Paar, ohne ernsthaftere Verletzungen die Tanzstunde zu überstehen, dann schwebt es, die Tanzschuhe unter‘m Arm, wie auf Wolken davon. Manch einer humpelt ein wenig, aber man übt sich im Verzeihen, denn schließlich will jeder wieder kommen. Und das geht nur zu zweit, es sei denn, man sucht sich einen neuen Partner.
So lange der Anfängerkurs dauert ist es streng verboten, die Tanzpartner innerhalb der Gruppe zu tauschen. Das befremdete mich sehr und so fragte ich nach dem Grund. Die Erfahrung zeigt, so die Auskunft des Tanzlehrers, dass dies zu gravierenden Lebensveränderungen der Tanzschüler führen kann, was von der Tanzschule nur ungern gesehen wird. Ein Ehemann versuchte einmal, die Schule auf Schadenersatz zu verklagen. Und das kam so: Auf die Ansage des Tanzlehrers “Und jetzt tauschen wir die Herren” fiel der Kläger einer großen Dame von ca 6o Jahren in die Arme. Diese schien darüber sehr erfreut und ließ ihn nicht mehr los. Ohne Ankündigung übernahm sie die Führung und verwandelte den langsamen Walzer in einem schwindelerregenden Tornado. Sie tobten furchterregend durch den Saal, jedoch ohne jemanden zu schädigen, was einem Wunder nahe kam.
Während dessen nutzte des Klägers eigene Frau die Situation aus und verschwand auf Nimmerwiedersehen mit einem der Tanzlehrlinge. Zum Glück hatte die Tanzschule eine gute Rechtsschutzversicherung und brauchte für den Schaden nicht aufzukommen. Aber solchem Ärger ging man fortan lieber aus dem Wege. Daher das besagte Verbot.
Dieses bezieht sich aber nur auf die Anfängerkurse. Aus unerklärlichen Gründen verhalten sich die Teilnehmer der weiterführenden Kurse vorbildlich und dort ist es erlaubt, sogar erwünscht, auch mit anderen Anwesenden zu tanzen.
Ich freue mich auf den weiteren Kurs nur bedingt, denn es gibt da ein grobmotorisches Paar, vor dessen Nähe mein Partner und ich immerzu flüchten... Mit jenem Paar würde ich unter keinen Umständen den Partnertausch wagen, nicht mal für einen Disco-Fox. Klar, den Spruch kenne auch ich: “Wovor man Angst hat, das tritt meist ein” (“das tritt meist einen” wäre richtiger). Ich kenne natürlich auch den: “Hingehen, wo die Angst tanzt, pardon, sitzt” und auch: “Angst essen Seele auf”...
Von allen Sprüchen am besten gefällt mir jedoch dieser: “Tanzen ist schöner als Sex”!
Ein lustvolles Folgen, sich fügen, flirten, schwitzen, in Trab kommen, in schwindelerregende Zustände beim Drehen geraten, immer auf Körperfühlung, mal den Partner anziehen, mal abstoßen, Halt finden, Halt verlieren, lachen und lustvoll schreien... falls man mit anderen Tanzenden kollidiert. WOW!
Nur der Tango sieht bei uns Anfängern nicht nach Lust aus. Eher nach mechanischen Übungen: Schritt-Schritt-gleich-ge-schaft-Gott-sei-Dank.
Aber die Lust kommt bekanntlich beim Essen. Und Liebe geht durch den Magen... Und überhaupt: Leute! Ignoriert den abwesenden Frühling, diesen Zuspätkommer! Bepflanzt die innen liegenden Fensterbänke mit Zimmerrosen und Hyazinthen! Zieht schöne Kleider an, schnappt euch die Tanzschuhe und los!