Das Enthüllungsbuch der SZ-Redakteure Bastian Obermayer und Frederik Obermaier zeigt, welche gigantische Dimension die Geldwäsche weltweit angenommen hat.
Panama Papers: Die Kanzlei der Bösen
Bis vor kurzem fiel Bücherfans beim Wort Panama hauptsächlich der Bestseller von Janosch ein. Doch seit einigen Tagen ist "Panama Papers", das Enthüllungsbuch der SZ-Redakteure Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, auf dem Markt und in aller Munde.
Das größte Datenleck der Geschichte förderte Hunderttausende von Dokumenten der panamesischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca zutage, die zeigen, mit welchen fragwürdigen Mitteln die vom Deutschen Jürgen Mossack mitgegründete Sozietät Diktatoren, Superreichen, aber auch Stars dabei hilft, mit Briefkastenfirmen Millionen vor der Steuer zu verstecken.
Max Mustermann heißt John Doe
Das Ganze begann mit einem Mail eines gewissen John Doe (ein englisches Pendant zum deutschen Max Mustermann), der Bastian Obermayer gigabyte-weise Daten von Mossfon angeboten hatte. Noch wissen die beiden Investigativreporter der Süddeutschen Zeitung nicht, worauf sie sich einlassen: Die Recherche wird zum internationalen Projekt - am Ende sind mehr als 400 Journalisten aus 80 Ländern beteiligt, darunter Mitarbeiter der New York Times, des Guardian oder von Le Monde. Einerseits ist dies notwendig, um überhaupt der Datenmenge Herr zu werden; andererseits wird die internationale Expertise der zahlreichen Pulitzerpreisträger und Investigativjournalisten im Team erforderlich.
In "Panama Papers" beschreiben die Autoren, wie die wohl größte Story ihres Lebens zustande gekommen ist. So erfährt der Leser, dass zunächst ein Hochleistungs-PC angeschafft werden musste, um überhaupt die Datenmenge bewältigen und mit einem teuren Spezialprogramm durchsuchbar zu machen. Zudem ist das Projekt selbst in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung so geheim, so dass sich Bastian Obermayer und Frederik Obermaier in die Welt der Datenverschlüsselung einarbeiten: Da werden versteckte Festplatten angelegt, PCs festgeschraubt und ein geheimes Forum für die beteiligten Journalisten angelegt. Denn über allem schwebt die stete Angst, dass die Recherche zu früh aufgedeckt wird und die Beteiligten ihre Aktivitäten verschleiern können. Was noch schwerer wiegt: Da es sich bei den Kunden von Mossack Fonseca durchaus auch um Gestalten aus Diktatorenumfeld und kriminellem Milieu handelt, fürchten nicht wenige der Journalisten um ihr Leben.
Gigantische Geldverschieberei
Der Stoff, von dem die Autoren schreiben, ist tatsächlich auch außerhalb der bereits in den Zeitungen veröffentlichten Details zum Beispiel über die fragwürdigen Geschäfte von Fußballstar Lionel Messi hochbrisant. So schildern Obermaier und Obermayer, wie beispielsweise afrikanische Diktatoren systematisch das Land auspressen und Millionen zu Offshore-Firmen verschwinden lassen, die mit Scheindirektoren ausgestattet, die wahren Eigentümer verschleiern: Nämlich die Diktatoren oder ihre Clans selbst. So wird geschätzt, dass aus Afrika pro Jahr 50 Milliarden Dollar abfließen und den afrikanischen Staaten jährlich nochmals 38 Milliarden an Steuern entgehen, weil die Gewinne in Steueroasen wie Panama oder den Bahamas abgeleitet werden. Zu den von Mossfon im Auftrag gegründeten Firmen gehören zum Beispiel einer Schwester des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, dem Sohn des äquatorialguineanischen Diktators Obiang, der Tochter des Ex-Präsidenten von Mosambik oder Ex-Ministern von Malawi.
So hatte Joseph Kabila 20120 Ölförderrechte an zwei von Mossfon gegründete Firmen zum Spottpreis vergeben, die in der Branche jedoch völlig unbekannt waren. Direktor der Firmen: Khulubuse Zuma, der Neffe des amtierenden südafrikanischen Präsidenten, der zufällig um diesen Zeitraum herum im Kongo auf Staatsbesuch war. Das Ergebnis: Die beiden Briefkastenfirmen haben nur sechs Millionen Dollar für Förderrechte bezahlt, die das Zehnfache wert sind. Zudem dürfen die Firmen zwischen 55 und 60 Prozent des Gewinns einstreichen - der Regelfall etwa im Kongo liegt zwischen 20 und 31,5 Prozent. Hinter den Briefkastenfirmen steht der berüchtigte israelische Investor Dan Gertler, dem systematische Ausbeutung des Kongo schon vor Jahren vorgeworfen wurde. Dass der Kabila-Clan von dem für den Staat Kongo katastrophal schlechten Deal profitiert haben muss, scheint klar.
Mossfon: Kanzlei ohne Skrupel
"Panama Papers" beschäftigt sich aber auch mit dem Assad-Regime und beleuchtet, wie skrupellos Mossfon dem Umfeld des syrischen Machthabers durch ein ganzes Geflecht an Briefkastenfirmen geholfen haben soll, Waffen, Treibstoff und Munition verdeckt zu kaufen. Dabei liest sich das Buch wie ein Who is Who der Diktatoren; aber auch Wladimir Putins Dunstkreis wird beleuchtet.
Allerdings sind die Autoren zurückhaltend, wenn es um Namen, insbesondere von Deutschen geht: Die Gründung einer Offshorefirma ist per se nicht verboten und kann völlig legale Hintergründe haben. So ist "Panama Papers" weniger für Fans von Enthüllungsgeschichten über Stars oder Prominente interessant. Vielmehr wird das gigantische Ausmaß der Geldverschieberei deutlich, das Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden lässt.
Fazit: Wie weh "Panama Papers" tut, wird anhand der ersten Amazon-Kundenrezensionen deutlich. Mehrere offensichtliche Putin-Fans bewerten das Buch mit einem Stern, da das Umfeld des russischen Präsidenten und dessen finanzielle Machenschaften auch beleuchtet werden. Man wittert eine von langer Hand geplante Verschwörung. Tatsächlich liest sich "Panama Papers" aber spannend wie ein Krimi und bindet bekannte Skandale wie etwa die schwarzen Kassen von Siemens in Südamerika oder auch den Commerzbank-Razzia einordnend in einen weltweiten Zusammenhang ein. Bastian Obermayer und Frederik Obermaier erklären aber auch, wie das System der Briefkastenfirmen grundsätzlich funktioniert. Das Buch bietet aber nicht nur einen Einblick in die Parallelwelt der Superreichen, sondern erzählt auch von der Arbeit von Investigativjournalisten. Unbedingt empfehlenswert!