Im Buch zur TV-Serie "The Returned" wanken keine sabbernden Ghoule durch die Gegend, sondern die Untoten wirken auf den ersten Blick recht normal. Gerade das macht diese Wiedergänger so gefährlich.
Die französische Mystery-TV-Serie "Les Revenants", die in der deutschen Fassung bereits im WDR im FreeTV lief, schlug ein wie eine Bombe. Mit einem Emmy-Award geehrt, wurde das Format auch in die USA verkauft und dort praktisch 1:1 unter dem Titel "The Returned" mit amerikanischen Schauspielern nachgespielt.
Lebende Leichen im Keller
Jetzt ist mit "The Returned" das Buch zur ursprünglichen französischen TV-Serie erschienen und überrascht mit einer Darstellung der Untoten, die so gar nichts mit "The Walking Dead" gemein hat. In einem französischen Bergort, der sich mit seinem Stausee und der Talsperre erkennbar am französischen Wintersportort Tignes orientiert, taucht plötzlich die 15jährige Camille wieder auf. Die Eltern und ihre Schwester Léna sind entsetzt: Eigentlich war Camille bereits vor vier Jahren bei einem Busunglück ums Leben gekommen.
Doch Camille weiß von nichts. Sie erklärt, sie sei in den Bergen aufgewacht und nach Hause gelaufen. Die Wiedersehensfreude mischt sich schnell mit Angst, als klar wird, dass das Mädchen seitdem nicht gealtert ist und einen kompletten Filmriss hat. Nicht nur Schwester Léna ist verunsichert, ob das zurückgekehrte Wesen tatsächlich Camille ist. Die Familie versucht zunächst, sie vor der Öffentlichkeit zu verstecken und wird immer öfter mit der Ausweglosigkeit der Situation konfrontiert. Doch Camille ist nicht die einzige, die von den Toten auferstanden ist. Serge, der verstorbene Bruder des Barinhabers Toni ist wieder da, ein Selbstmörder kehrt zurück und nicht zuletzt erscheint ein mysteriöser Junge im Ort, der von der Krankenschwester Adéle aufgenommen wird.
Dunkle Vergangenheit
Diese Zombies sabbern und faulen aber nicht, sondern sind auf den ersten Blick so jung wie damals und charakterlich identisch. Hier beginnt die eigentliche Geschichte, denn die Wiederauferstandenen lassen im wahrsten Sinne des Wortes die Vergangenheit wieder aufleben. Und die wollen nicht wenige der Protagonisten so schnell wie möglich vergessen. Plötzlich wird ein nie gefasster Serientäter wieder aktiv, Menschen bringen sich grundlos um und längst abgehakte Beziehungen erscheinen in einem neuen, bedrohlichen Licht.
Mit der heimlichen Rückkehr der Toten geschieht auch außerhalb des Dorfes Unheimliches: Der Wasserspiegel des nahegelegenen Stausees sinkt auf unerklärliche Weise ab, bis der Kirchturm eines alten Dorfes sichtbar wird, das bei einer Staudamm-Katastrophe vor vielen Jahren überflutet wurde. Hier klingt die wahre Geschichte der Tignes-Talsperre an: Sie staut die Isère zum Lac du Chevril auf, der 1952 das alte Dorf Tignes geplant überflutet hatte.
Nur einer glaubt die Zusammenhänge zu durchschauen. Pierre, fanatischer Christ und Leiter des lokalen Sozialzentrums, sieht das Ende der Welt nahen und baut die Begegnungsstätte heimlich zur Festung aus, um die vermeintliche Apokalypse zu überstehen. Doch es soll ganz anders kommen, als Pierre denkt - und der Leser auch...
Fazit: "The Returned" ist in fast jeder Hinsicht anders als der typische Horror-Roman. Seth Patrick beginnt die Geschichte erzählerisch behutsam, aber nicht langweilig. Nach dem ersten Drittel wird klar, dass nicht wenige der Ortsbewohner ihre ganz eigenen Leichen im Keller haben. Beziehungen werden zerrüttet, alte Wunden aufgerissen. Mit der Rückkehr der Toten kommt die Vergangenheit kommt zurück und spiegelt die Persönlichkeiten, Eigenarten und Sünden der Menschen wieder. Erst auf den letzten Seiten dreht der Roman mehr ins apokalyptische Motiv, doch dem Autor gelingt es, mit kurzen, spannenden Kapiteln, den Leser stets bei der Stange zu halten. Dabei löst Patrick bei weitem nicht alle offenen Fragen auf - schließlich ist bereits im Sommer 2016 das Buch zur zweiten TV-Staffel geplant. Trotzdem ist das (vorläufige) Ende der Geschichte befriedigend und macht mit einem weiteren starken Cliffhanger Lust auf das zweite Buch. Seth Patrick treibt die Gänsehaut von der ersten bis zur letzten Seite mit einer intelligenten Steigerung des erzählerischen Tempos bis zum Siedepunkt. Ein absolutes Highlight nicht nur für Horror-Fans.
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