Robert Harris hat nach "Imperium" und "Titan" seine Polit-Trilogie rund um Cicero mit "Dictator" abgeschlossen. Im Gespräch mit Denis Scheck wies Harris auf die ungebrochene Aktualität des Themas hin.
Der Verfasser der Polit-Trilogie "Cicero" hält die Ermordung und Demütigung des brillanten Redners für ein weiteren Beweis für dessen Genie. Jetzt ist mit "Dictator" der letzte Band erschienen.
"Wenn man Cicero heute liest, hat man den Eindruck, seine Rede handele um den Krieg gegen den Terror", sagte Robert Harris in der Sendung "druckfrisch". "Mein Roman handelt von Macht und der Frage, ob man Macht organisieren kann, damit Macht nicht zur Tyrannei wird. Das antike Rom ist daran gescheitert. Das sollte uns allen eine Warnung sein. Wer seine Freiheiten aufgibt, hat dafür einen hohen Preis zu zahlen."
In "Cicero" schildert Robert Harris die letzten 25 Jahre der römischen Republik und deren Untergang mit dem Tod Ciceros. "Die Menschen der damaligen Zeit fragten sich auch, warum niemand die Republik rettet. Mein Roman ist eine Lektion darin, wie schnell Strukturen, die man für sicher und stabil hält, auf einen Schlag verschwinden können. Die Republik ging in fünf Jahren unter."
Kein Eingriff in die Geschichte
Bitter für Robert Harris als Autor ist freilich, dass Cicero schließlich auf den Straßen Roms in seiner Sänfte ermordet wurde. Aber nie hatte er das Gefühl, die geschichtlichen Ereignisse rund um Cicero zugunsten der Dramaturgie verändern zu müssen.
"Ich habe in anderen Romanen in die Geschichte eingegriffen. Hier ging es aber ausschließlich darum, Cicero lebendig werden zu lassen, zu erklären, wie die römische Republik funktioniert und ein Buch zu schreiben über den ersten großen Politiker der Welt", asagt Robert Harris. " Cicero hatte keine Verbindungen zum Adel, er war kein Militärführer, sein Aufstieg verdankte er wie bei einem modernen Politiker seinen Fähigkeiten als Anwalt und seiner Kompetenz als Redner."
Gerade dies wurde ihm zum Verhängnis.
"Als Cicero in seiner Sänfte auf den Straßen Roms getötet wurde, hatte man ihm Kopf und Hände abgeschnitten und stellte sie auf der Rednerplattform zur Schau", berichtet Harris, der für die Buch-Trilogie jahrzehntelang recherchiert hatte. " Fulvia, die Frau Marc Antons, war sogar so weit gegangen, ihm eine Nadel durch die Zunge zu stechen."
"Cicero stand für die Rechtsstaatlichkeit, für Eloquenz und Humor. Zu Ciceros Untergang trug im Wesentlichen bei, das er einfach zu viele Witze über mächtige Leute machte. Sein Ende bedeutete ein Witz über Oktavian. Er stand für alles, woran ich glaube. Er stand für Redefreiheit, Rechtsstaatlichkeit, er machte aus seiner Abneigung gegen das Militär keinen Hehl, genau wie gegen Macht, die mit dem Schwert ausgeübt wird. Die einzige Möglichkeit, ihn zum Verstummen zu bringen, war, ihm den Kopf und die Hände abzuschneiden."
Erinnerung an das Dritte Reich
Tatsächlich erinnern Facetten des Zusammenbruchs der römischen Republik in Teilen an das Ermächtigungsgesetz, das Adolf Hitler diktatorische Macht verliehen hatte.
"Die bedrückendste Stelle im Buch ist für mich die, wo Cicero erklärt, er sei selbst schuld", sagt Harris. "Er habe für die Sonderbefugnisse von Pompejus gestimmt im Krieg gegen die Piraten und dort aus diesem Präzedenzfall habe Caesar das Recht für seine Sonderbefugnisse abgeleitet. Und das führte zum Bürgerkrieg und zur Diktatur. Cicero ist davon überzeugt, dass man sich unbedingt an die Gesetze halten muss, aber zu diesem Zeitpunkt im Buch ist es dafür schon zu spät."
"Dictator" ist bei Heyne erschienen (528 Seiten, 22,99 Euro).