Irgendwann so ab Mitte 40 sitzt man auf einer Art unsichtbarer Schwelle. Auf der einen Seite: die Gesellschaft, die einem noch zuwinkt, als wäre nichts. Auf der anderen: der Körper, der längst beschlossen hat, eigene Wege zu gehen. Wer in diesen Jahren nicht ganz die Fassung verlieren will, tut gut daran, sich Verbündete zu suchen. In der Literatur. In der Medizin. Oder wenigstens im humorvollen Selbstgespräch.
Hier bestellen
Denn es ist nun einmal so: Der Körper gehorcht nicht mehr. Der Geist plant Yoga-Retreats und Karriere-Schübe, während die Knie knirschen und nachts die Hitze über einen hereinbricht, als hätte jemand die Sonne unter das Kopfkissen geschoben. Und obwohl es die halbe Menschheit betrifft, wird erstaunlich wenig darüber gesprochen – zumindest nicht so, dass es einen wirklich klüger, geschweige denn fröhlicher macht.
Doch ein paar Bücher holen jetzt nach, was lange gefehlt hat.
Wenn Ärztinnen und Künstlerinnen endlich Klartext reden
Dr. Sheila de Liz zum Beispiel, eine, die weiß, wie es sich anfühlt, wenn man plötzlich morgens aufwacht und sein Spiegelbild nicht mehr sofort erkennt. In Woman on Fire (Rowohlt, 2020) erklärt sie, was genau da in unserem Inneren explodiert – und warum wir trotzdem nicht untergehen müssen. Mit einer Mischung aus medizinischer Präzision und der Art von Humor, die einem nachts um drei das Weinen erspart, räumt sie gründlich mit Wechseljahres-Mythen auf.
Noch wissenschaftlicher geht es bei Dr. Lisa Mosconi zu. Ihr Buch Das Gehirn in der Menopause (dtv, Broschiert, erscheint am 17. April 2025) legt den Finger auf eine Wunde, die viele gar nicht auf dem Schirm haben: Dass die hormonelle Achterbahnfahrt eben nicht nur den Körper trifft, sondern auch unser Denkvermögen, unsere Konzentration, unser Gedächtnis. Mosconi schreibt nicht, um Panik zu machen – sie zeigt, dass diese Phase auch eine Chance sein kann, sich neu zu erfinden. Nicht trotz, sondern wegen der Veränderungen.
Und dann ist da noch Naomi Watts, die sich in Dare I Say It (Crown, 2025) – ganz ohne Filmlicht und Photoshop – durch ihre eigene frühe Menopause kämpft. Ihr Bericht wirkt fast wie ein freundschaftlicher Brief: ehrlich, manchmal verzweifelt, aber nie selbstmitleidig.
Literarisches Flackern zwischen Zweifel und Trotz
Während sich die Medizin müht, die Wechseljahre endlich von ihrem Makel zu befreien, betritt die Literatur vorsichtig das Terrain, das lange vermieden wurde wie ein peinliches Familiengeheimnis.
Miranda July etwa schickt in Auf allen Vieren (Kiepenheuer & Witsch, 2024) eine Frau auf eine Art Fluchtreise – von Los Angeles nach New York, vorbei an Motels, Sehnsüchten und einer Libido, die seltsamerweise genau dann aufdreht, wenn die Gesellschaft sie längst abgeschrieben hat. July erzählt das Ganze mit der ihr eigenen Mischung aus skurrilem Humor und melancholischer Wucht.
Ganz anders, aber nicht minder intensiv schreibt Ulrike Draesner in Eine Frau wird älter (Luchterhand, 2018). Ihre Essays lesen sich wie eine kluge Freundin, die einem keine falschen Komplimente macht, sondern ehrlich sagt, wo es wehtut – und warum es trotzdem weitergeht. Ihre Botschaft: Altern ist kein Defekt. Es ist eine Veränderung. Und wer sich traut hinzusehen, erkennt darin auch neue Freiheiten.
Keine Scham, nur Wandel
Wechseljahre sind kein Abstieg, sondern ein Aufbruch. Nur eben einer, der knarzt, flackert und manchmal weh tut. Die neuen Bücher machen Mut, genau das zu akzeptieren – und das Leben trotzdem (oder gerade deswegen) weiterzutanzen.
-
Woman on Fire von Sheila de Liz (Rowohlt, 2020)
Medizinischer Ratgeber mit Herz und Humor – für alle, die keine Lust mehr haben, sich als "defizitäres Wesen" zu fühlen. -
Das Gehirn in der Menopause von Dr. Lisa Mosconi (dtv, erscheint am 17. April 2025)
Für alle, die sich fragen, warum sie plötzlich im Flur stehen und vergessen haben, warum – und wie man das Hirn auch in hormonellen Sturmzeiten wach und stark hält. -
Dare I Say It von Naomi Watts (Crown, 2025)
Ein persönliches Manifest dafür, dass auch Stars nicht davor gefeit sind – und dass Ehrlichkeit manchmal der mutigste Glamour ist. -
Auf allen Vieren von Miranda July (Kiepenheuer & Witsch, 2024)
Ein literarischer Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Aufbruch und Verlust – chaotisch, zärtlich, wild. -
Eine Frau wird älter von Ulrike Draesner (Luchterhand, 2018)
Essays wie kluge Gespräche bei Wein und Gewitter – über das, was kommt, was bleibt und was endlich gehen darf.