„Die Möglichkeit von Glück“ – Anne Rabes kraftvolles Debüt über Schweigen, Schuld und Aufbruch

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Mit Die Möglichkeit von Glück hat Anne Rabe einen Roman geschrieben, der viel mehr ist als eine persönliche Coming-of-Age-Geschichte. Es ist ein Buch über politische Nachwirkungen, über eine Gesellschaft im Umbruch, über Familien, die schweigen – und Kinder, die dieses Schweigen irgendwann nicht mehr mittragen können. Rabe gelingt ein feinfühliger, zutiefst politischer und zugleich zutiefst menschlicher Roman, der vom persönlichen Aufwachsen in einem Nachwendedeutschland erzählt – und davon, wie das, was totgeschwiegen wurde, doch immer wieder an die Oberfläche drängt.

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Worum geht es in Die Möglichkeit von Glück?

Stine wächst in den 1990er Jahren in einer ostdeutschen Kleinstadt auf. Ihre Eltern, vor allem der Vater, sind tief geprägt von der DDR, ihre Mutter gläubig, loyal, zurückhaltend. Der Vater war Offizier in einem autoritären System – mit einem Weltbild, das auch nach dessen Ende nicht einfach verschwindet. Für Stine bedeutet das: Sie lebt in einer Welt, in der vieles nicht gesagt wird. In der Schmerz und Scham unter den Teppich gekehrt werden. In der die eigene Kindheit, so normal sie äußerlich scheint, durchzogen ist von Druck, Angst und disziplinierender Kontrolle.

Der Roman folgt Stine auf ihrem Weg zur Emanzipation von diesem Hintergrund. Sie will verstehen, was war – und warum ihre Familie, ihre Gesellschaft, so wenig darüber spricht. Als junge Erwachsene beginnt sie, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Doch das Aufdecken kostet. Denn wer beginnt, die Geschichten seiner Herkunft infrage zu stellen, stellt sich selbst infrage.

Ein Roman über Aufarbeitung – und über das, was sich nicht auflösen lässt

Anne Rabe stellt mit ihrem Debüt Fragen, die unangenehm sind – und genau deshalb wichtig. Wie leben wir weiter mit der Geschichte unserer Eltern? Welche Verantwortung tragen wir für das, was vor unserer Geburt geschah? Und wie prägen autoritäre Denkmuster eine Gesellschaft noch Jahrzehnte später?

Dabei erzählt sie nicht polemisch, nicht von oben herab. Im Gegenteil: Die Möglichkeit von Glück nähert sich diesen Fragen über das Persönliche. Die politische Ebene wird nicht doziert, sondern durchlebt. So entsteht ein Roman, der tief in die Widersprüche des ostdeutschen Alltags eintaucht – und gleichzeitig universelle Themen berührt: Schuld, Identität, Familie, Sprachlosigkeit.

Anne Rabes Sprache – Klar, ruhig, durchdringend

Rabes Stil ist zurückgenommen, fast still, aber dabei nie schwach. Ihre Sprache ist präzise, bildhaft, dabei aber nie pathetisch. Sie erzählt mit Feingefühl – und mit einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe für das, was zwischen den Menschen geschieht: Gesten, Pausen, Blicke, Sätze, die abbrechen.

Der Roman liest sich in seiner Ruhe fast wie ein innerer Monolog. Und das ist einer seiner größten Stärken: Er will nicht schreien, sondern verstehen. Genau dadurch berührt er.

Für wen ist dieser Roman geschrieben?

„Die Möglichkeit von Glück“ richtet sich an Leser, die sich für die deutsch-deutsche Geschichte interessieren, aber keine trockene Geschichtsstunde erwarten, sondern literarische Tiefe. Für Menschen, die Familiengeschichten mögen, in denen das Politische unter der Oberfläche brodelt. Für alle, die sich fragen, wie Erinnerung funktioniert – und was sie mit uns macht.

Auch Leser, die etwa Judith Schalanskys, Jenny Erpenbecks oder Clemens Meyers Werke schätzen, werden sich hier zu Hause fühlen.

Warum ist dieses Buch gerade jetzt so relevant?

In Zeiten, in denen gesellschaftliche Spaltungen zunehmen, in denen neue autoritäre Stimmen lauter werden, ist ein Roman wie Die Möglichkeit von Glück ein wichtiger Beitrag zum Verstehen. Er zeigt, wie prägend Systeme sind – auch lange nachdem sie untergegangen sind. Und wie viel Kraft es braucht, sich davon zu lösen.

Rabe blickt nicht mit dem Finger auf den Osten, sondern mit einem offenen, klugen Blick auf eine ganze Generation, die mit Widersprüchen leben muss. Und auf eine Gesellschaft, die das Vergangene noch lange nicht verarbeitet hat.

Was bleibt nach der Lektüre?

Ein Gefühl von Nachdenklichkeit. Und vielleicht ein leiser Schmerz – über das, was nie gesagt wurde. Anne Rabe schreibt nicht versöhnlich, aber auch nicht anklagend. Sie schreibt ehrlich. Und das ist das größte Geschenk dieses Romans.

„Die Möglichkeit von Glück“ ist ein mutiger, bewegender Text. Einer, der keine Antworten gibt – aber viele Fragen stellt, die man sich vielleicht schon lange hätte stellen sollen.

Über die Autorin: Wer ist Anne Rabe?

Anne Rabe wurde 1986 in Wismar geboren. Sie ist Dramatikerin, Drehbuchautorin und Essayistin. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Retzhofer Dramapreis. Die Möglichkeit von Glück ist ihr erster Roman – und gleich ein großer Wurf.

Rabe schreibt mit Haltung, mit Mut zur Unbequemlichkeit und mit einer sprachlichen Klarheit, die man in Debütromanen selten findet. Mit diesem Buch positioniert sie sich als wichtige Stimme der Gegenwartsliteratur – gerade in der Diskussion um die Erinnerungs- und Aufarbeitungskultur in Deutschland.

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