„Größtenteils heldenhaft“ von Anna Burns – Wenn Geschichte leise Helden findet

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Mit ihrem neuen Buch „Größtenteils heldenhaft“ legt die Autorin Doris Knecht ein Werk vor, das gleichermaßen erhellt, bewegt und zum Nachdenken anregt. Es ist keine Heldensaga im klassischen Sinne, sondern vielmehr ein sensibles literarisches Porträt über menschliche Schwächen, moralische Entscheidungen und die Frage, was Mut im Alltag eigentlich bedeutet. Knecht gelingt es, eine Erzählung zu schaffen, die weit über das hinausgeht, was der Titel zunächst vermuten lässt.

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Worum geht es in „Größtenteils heldenhaft“?

Im Zentrum der Handlung steht eine namenlose Ich-Erzählerin, die nach einem Shitstorm, beruflichem Absturz und gesellschaftlicher Isolation auf dem Land lebt – zurückgezogen, reflektiert, mit sich selbst und ihrer Vergangenheit ringend. Die Heldengeschichte, die hier erzählt wird, ist eine des Rückzugs, der leisen Aufarbeitung und der inneren Umdeutung.

Die Protagonistin war einst eine bekannte Kolumnistin – laut, meinungsstark, öffentlich präsent. Doch durch eine Affäre und die Veröffentlichung eines Textes über ein sensibles Thema wird sie zur Zielscheibe im Netz. Der mediale Angriff zerstört ihre Karriere. Knecht zeichnet diesen Absturz nicht als plötzlichen Knall, sondern als schleichenden Prozess, als Erosion von Status und Selbstbild.

In dieser Situation beginnt sie, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen – nicht nur gegenüber ihrer Familie, sondern auch im Hinblick auf ihre Rolle in der Öffentlichkeit. Sie erinnert sich an Gespräche, an alte Texte, an ihren Ex-Mann und an Freundschaften, die zerbrachen. Dabei wird deutlich: Heldentum zeigt sich oft nicht in Taten, sondern im Aushalten, im Nicht-wegsehen, im Schweigen und im Reden zur richtigen Zeit.

Thematische Tiefe: Was bedeutet moralische Verantwortung heute?

Ist Rückzug Feigheit oder Selbstschutz?

Doris Knecht stellt die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung in Zeiten der Hyperöffentlichkeit. Was bedeutet es, öffentlich zu sein – und was heißt es, sich dem zu entziehen? Die Erzählerin lebt in einem kleinen Haus in den Bergen, kocht, räumt auf, liest, schreibt – aber das Leben, das sie führt, ist keineswegs abgeschlossen. Vielmehr ist es ein Neuanfang unter veränderten Bedingungen. Ihre Reflexionen über Öffentlichkeit, Schuld und Reue wirken umso kraftvoller, weil sie nicht im Ton der Anklage, sondern der Ehrlichkeit geschrieben sind.

Wie verändert ein Shitstorm das Selbstbild?

Ein zentrales Thema des Romans ist die Frage, wie sich digitale Angriffe auf das reale Leben auswirken. Der mediale Pranger, den Knecht beschreibt, ist realistisch und differenziert gezeichnet. Die Protagonistin verliert nicht nur ihren Job, sondern auch ihr soziales Netz. Was bleibt, ist die radikale Konfrontation mit sich selbst – und der langsame Wiederaufbau von Vertrauen, in sich und in andere.

Was bedeutet „Heldenhaft“ im Alltag?

Anders als große Heldengeschichten inszeniert Knecht das „Heldenhafte“ hier als stillen Widerstand: gegen Zynismus, gegen Selbstmitleid, gegen das Vergessen. Die Erzählerin versucht nicht, sich reinzuwaschen oder als Opfer zu stilisieren. Ihre Selbstkritik ist schmerzhaft, aber nie pathetisch – und genau das macht sie glaubwürdig.

Für wen ist dieses Buch?

„Größtenteils heldenhaft“ richtet sich an Leser, die psychologische Tiefe, sprachliche Präzision und gesellschaftliche Relevanz schätzen. Es ist kein klassischer Gesellschaftsroman, sondern eher eine literarisch dichte Innenansicht, die jedoch universelle Fragen aufwirft: Wie wollen wir leben? Was ist Verantwortung? Und wie gehen wir mit den Fehlern anderer – und unseren eigenen – um?

Sprachstil und Erzählweise

Doris Knecht bleibt ihrem Stil treu: klar, reflektiert, manchmal schnörkellos, dann wieder poetisch. Ihre Sprache lebt von klugen Beobachtungen, präzisen Beschreibungen und einem leisen Humor, der immer wieder durchbricht.

Stilistisch erinnert der Text an Tagebucheinträge oder essayistische Prosa, was der Introspektion der Figur große Authentizität verleiht. Knecht verzichtet auf große dramatische Wendungen und schafft dennoch eine Spannung, die nicht nachlässt.

Leise, aber eindringlich

„Größtenteils heldenhaft“ ist ein Roman über das Scheitern, das Aushalten und das Weiterleben. Über Fehler, die wir machen, und die Wege, die wir danach finden müssen. Doris Knecht erzählt nicht von Superhelden, sondern von Menschen – mit all ihrer Widersprüchlichkeit. Ein kluges, ehrliches und berührendes Buch, das lange nachwirkt.

Über die Autorin: Doris Knecht

Doris Knecht, geboren 1966 in Vorarlberg, lebt in Wien. Sie arbeitet als Kolumnistin für „Falter“ und „Kurier“ und ist seit vielen Jahren eine markante Stimme in der österreichischen Medienlandschaft. Ihre Romane wie „Gruber geht“, „Wald“ oder „Alles über Beziehungen“ wurden vielfach ausgezeichnet. Knecht ist bekannt für ihre reflektierten, gesellschaftskritischen Texte, in denen sie sich stets mit Fragen der Identität, Öffentlichkeit und Moral auseinandersetzt. Mit „Größtenteils heldenhaft“ knüpft sie an diese Themen an und schafft ein Werk von hoher literarischer und emotionaler Dichte.

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