Mit seinem Roman "Neanderthal" (erschienen bei Heyne) legt Jens Lubbadeh erneut einen packenden Near-Future-Thriller vor, der Wissenschaft, Gesellschaftskritik und Hochspannung vereint. Der Autor, bekannt für seine journalistische Arbeit bei SPIEGEL und tagesschau.de, hat sich in den letzten Jahren als eine der interessantesten Stimmen der deutschen Science-Fiction-Literatur etabliert. Wie in den Erfolgen: "Unsterblich" und "Transfusion" hat Lubbadeh auch in diesem Roman einen Blick auf eines der faszinierendsten Kapitel der Menschheitsgeschichte geworfen: die Neandertaler. Doch statt eines historischen Romans erwartet die Leser ein hochaktuelles Szenario rund um Genetik, Künstliche Intelligenz und die Frage: Was macht uns eigentlich menschlich?
"Neanderthal" von Jens Lubbadeh – Zwischen Wissenschaft, Spannung und ethischen Abgründen
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Worum geht es in "Neanderthal"?
Ein abgelegener Ort in den Alpen, ein mysteriöser Todesfall, eine Frau mit einer DNA-Struktur, die es seit 40.000 Jahren nicht mehr geben dürfte: Das ist der Ausgangspunkt des Romans. Die Journalistin Nora wird auf den Fall angesetzt und entdeckt dabei eine Spur, die sie tief in die Welt der Biotech-Industrie führt. In einem geheimen Projekt wurde das Unvorstellbare realisiert: ein Neandertaler wurde wieder zum Leben erweckt. Doch das Experiment gerät aus dem Ruder.
Was als wissenschaftliche Sensation beginnt, wird schnell zu einer Geschichte über Machtmissbrauch, Ethik und die Grenzen des Fortschritts. Lubbadeh verknüpft dabei reale wissenschaftliche Diskurse über DNA-Editierung, CRISPR und synthetische Biologie mit einem Thrillerplot, der von Anfang an fesselt.
Welche Themen behandelt der Roman?
Könnten Neandertaler heute überleben?
Lubbadeh greift eine reale Debatte aus der Genforschung auf: Ist es ethisch vertretbar, ausgestorbene Menschenarten durch moderne Technologien zurückzubringen? "Neanderthal" beantwortet diese Frage nicht direkt, sondern entfaltet sie anhand von Figuren, die unterschiedliche Positionen verkörpern: Wissenschaftler, die den Fortschritt über alles stellen, Aktivisten, die vor den Gefahren warnen, und Protagonisten wie Nora, die zwischen den Fronten stehen.
Was macht den Menschen aus?
Ein zentrales Motiv des Romans ist die Definition von Menschlichkeit. Lubbadeh stellt diese Frage nicht abstrakt, sondern konkret: Was passiert, wenn ein Wesen, das menschlich aussieht, aber genetisch "anders" ist, plötzlich Teil unserer Gesellschaft wird? Der Neandertaler im Roman ist kein Monster, sondern eine Figur voller Widersprüche, Empathie und eigener Identität. Der Roman zwingt den Leser, sich mit eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen.
Wissenschaft zwischen Fortschritt und Verantwortung
Wie schon in früheren Büchern geht Lubbadeh auch hier der Frage nach, welche Verantwortung Forschung trägt. Der Roman ist damit nicht nur ein spannender Thriller, sondern auch eine Mahnung: Nur weil etwas machbar ist, heißt das nicht, dass es auch getan werden sollte. Diese ethische Dimension hebt "Neanderthal" von reiner Unterhaltungsliteratur ab.
Stil und Spannung
Lubbadehs Sprache ist klar, direkt und überaus zugänglich. Seine journalistische Herkunft merkt man dem Buch positiv an: Komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge werden verständlich und packend erklärt. Die Kapitel sind kurz, die Perspektiven wechseln häufig, was das Tempo hochhält. Gleichzeitig bleibt genug Raum für Charakterentwicklung und moralische Zwischentöne.
Der Roman liest sich wie ein Drehbuch für einen hochwertigen Netflix-Thriller: Schauplatzwechsel, Cliffhanger, und eine Dramaturgie, die stetig an Spannung gewinnt. Besonders gelungen ist der Wechsel zwischen den inneren Konflikten der Hauptfiguren und den größeren Fragen, die die Geschichte aufwirft.
Fazit: Ein intelligenter Thriller mit Tiefgang
"Neanderthal" ist mehr als ein spannender Genforschungsthriller. Jens Lubbadeh gelingt es, Unterhaltung mit Substanz zu verbinden. Der Roman liefert Denkanstöße über Menschlichkeit, Ethik und wissenschaftliche Hybris, ohne dabei belehrend zu sein. Wer Bücher von Autoren wie Marc Elsberg, Frank Schätzing oder Michael Crichton schätzt, wird an "Neanderthal" seine Freude haben.
Über den Autor: Jens Lubbadeh
Jens Lubbadeh, geboren 1973, ist Wissenschaftsjournalist und Autor. Er arbeitete unter anderem für den SPIEGEL und tagesschau.de und widmet sich in seinen Romanen zukunftsnahen Themen an der Schnittstelle von Technologie, Gesellschaft und Ethik. Mit Romanen wie "Unsterblich" (2016), Neanderthal (2017), "Transfusion" (2018) und "Die Gedanken sind frei" (2021) hat er sich als kritischer Beobachter und Erzähler technologischer Visionen einen Namen gemacht.
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