Richard Chamberlain ist tot. Im Alter von 90 Jahren ist der Schauspieler, der über Jahrzehnte hinweg als Inbegriff des Fernsehhelden galt, auf Hawaii gestorben. Eine stille Nachricht, fast unauffällig, so wie es zuletzt auch um ihn geworden war. Doch hinter dieser Ruhe liegt ein Leben, das von Widersprüchen, Sehnsüchten und einer späten Ehrlichkeit geprägt war – ein Leben, das Chamberlain in seiner Autobiografie Shattered Love: A Memoir mit bemerkenswerter Offenheit erzählt hat. Es lohnt sich, dieses Buch (noch einmal) zu lesen.
Richard Chamberlain: Ein leiser Abschied und ein aufrichtiges Selbstporträt – Shattered Love neu lesen
Der Held, der keiner sein wollte
Bekannt wurde Chamberlain in den 1960er Jahren als Dr. Kildare – ein junger, moralisch unerschütterlicher Arzt, dem Millionen Zuschauer jede Woche ihr Vertrauen schenkten. In den 1980ern wurde er dann zum romantischen Priester Ralph de Bricassart in Die Dornenvögel – eine Rolle, die ihn endgültig zum internationalen Star machte. Doch das Bild, das diese Figuren vermittelten, hatte mit seinem eigenen Leben nur wenig zu tun.
In Shattered Love, erschienen 2003, beschreibt Chamberlain präzise und mit ruhiger Klarheit, wie sehr er sich selbst über Jahrzehnte verleugnete. Es ist kein Abrechnungsbuch, keine Anklage – eher eine vorsichtige Rekonstruktion eines Lebens, das sich lange nur im Verborgenen entfalten durfte.
Zwischen Ruhm und Rückzug
Chamberlain erzählt von seiner Kindheit im konservativen Kalifornien, von einem Vater, der trank, und von einem Gefühl der Fremdheit, das ihn früh begleitete. Er beschreibt seinen Aufstieg in Hollywood, den Druck, ein Image zu verkörpern, und die ständige Angst, dass sein Geheimnis – seine Homosexualität – öffentlich werden könnte. Der Ruhm war für ihn nie Erlösung, sondern eine sorgfältig aufgebaute Fassade, hinter der er zunehmend verschwand.
Erst mit über sechzig Jahren, längst nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner Karriere, entschloss er sich, offen über sein Leben zu sprechen. Das macht Shattered Love zu einem ungewöhnlichen Zeitdokument: Es ist das Zeugnis eines Mannes, der spät, aber mit großer Klarheit beginnt, sich selbst zu verstehen.
Ein anderes Hollywood
Das Buch bietet nicht nur persönliche Einblicke, sondern auch eine Art Gegenentwurf zum gängigen Hollywood-Mythos. Chamberlain blickt hinter die Kulissen der Traumfabrik, ohne sich zu beklagen oder überhöht zu erzählen. Seine Anekdoten – über Kollegen, Produktionen, Drehs – sind präzise gesetzt, zurückhaltend und nie bloß dekorativ. Wer glanzvolle Enthüllungen erwartet, wird enttäuscht sein; wer jedoch wissen will, wie sich das Leben in einem System anfühlt, das Authentizität selten duldet, wird hier fündig.
Chamberlains Stil ist unaufgeregt, klar, manchmal beinahe spröde – aber genau darin liegt die Stärke dieses Buches. Es ist kein literarisches Kunstwerk, aber ein ehrlicher, in sich stimmiger Bericht. Und je weiter man liest, desto deutlicher tritt ein Mensch hervor, der weniger um Aufmerksamkeit buhlte als um Anerkennung für das, was er war.
Warum man dieses Buch lesen sollte
Was Shattered Love heute besonders lesenswert macht, ist seine Mischung aus Zeitzeugenschaft, persönlicher Aufarbeitung und gesellschaftlicher Relevanz. In einer Ära, in der öffentliches Bekenntnis und persönliche Identität immer stärker verknüpft werden, wirkt Chamberlains späte Offenheit beinahe wohltuend leise. Er stilisiert sich nicht zum Pionier, erhebt keinen Anspruch auf Vorbildlichkeit – und gerade das macht seine Geschichte so eindrücklich.
Für alle, die sich für Lebensläufe abseits des Gewohnten interessieren, für Fragen der Identität, der Anpassung und der späten Versöhnung mit sich selbst, bietet dieses Buch eine stille, aber nachhaltige Lektüre. Es lohnt sich – nicht nur als Rückblick auf ein außergewöhnliches Leben, sondern auch als Reflexion darüber, was es heißt, sich selbst treu zu werden.