Christoph Peters "Innerstädtischer Tod" darf weiter erscheinen

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Der Roman "Innerstädtischer Tod" von Christoph Peters darf weiter erscheinen. Das hat das Landgericht Hamburgentschieden und einen Antrag auf einstweilige Verfügung des Berliner Galeristen Johann König und seiner Frau Lena ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

Christoph Peters Christoph Peters Autor Von Harald Krichel - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0 wikipedia

Damit scheiterten die Antragsteller mit dem Versuch, dem Luchterhand Literaturverlag die Verbreitung des Buchs oder einzelner Passagen daraus zu untersagen. Gericht erkennt Übereinstimmungen – aber keine Rechtsverletzung

Zwar stellte das Gericht fest, dass König und seine Frau aufgrund der Übereinstimmungen zwischen ihnen und den Romanfiguren Konrad und Eva-Kristin Raspe für einen Teil des Leserkreises erkennbar seien. Doch das allein reiche nicht für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunstfreiheit falle daher zugunsten des Verlags aus.

Der bereits im vergangenen September beim Luchterhand Literaturverlag erschienene Roman spielt im Jahr 2022 in Berlin. Im Mittelpunkt steht der Nachwuchskünstler Fabian Kolb, der große Hoffnungen auf seine erste Ausstellung in der Galerie Konrad Raspe setzt – eine der ersten Adressen der Hauptstadt. Raspe selbst hat jedoch einen zweifelhaften Ruf.

Kein Schlüsselroman – klare Abgrenzung zu "Esra"

Peters hat dem ersten Kapitel seines Buches den Hinweis vorangestellt: "Dieses Buch ist ein Roman." Weiter heißt es: "Als literarisches Werk knüpft es in vielen Passagen an reales Geschehen und an Personen der Zeitgeschichte an." König und seine Frau sahen sich dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt.

Nach Auffassung der Kanzlei König handelt es sich bei "Innerstädtischer Tod" um einen Schlüsselroman mit realen Vorbildern für zentrale Figuren – bis hin zu Details wie der in einer früheren Kirche untergebrachten Galerie. Johann König betreibt seine Galerie tatsächlich in einer ehemaligen katholischen Kirche in Berlin.

Die Kanzlei, die den Verlag vertritt, widerspricht: Das Werk sei kein Schlüsselroman, die Figuren seien fiktiv. Persönliche Eigenschaften, Alter, Aussehen, Vita und familiäres Umfeld unterschieden sich grundlegend von den Antragstellern. Auch die Annahme, dass Eva-Kristin Raspe ein Abbild von Königs Frau sei, sei abwegig.

Vergleich mit dem Fall "Esra"

Der Fall erinnert an die Diskussionen um das Spannungsverhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechten im Zusammenhang mit Maxim Billers Roman "Esra". Nach einem jahrelangen Rechtsstreit untersagte das Bundesverfassungsgericht 2007 das Erscheinen des Romans endgültig. Das Buch verletze das Persönlichkeitsrecht von Billers Ex-Freundin, weil sie eindeutig als "Esra" erkennbar sei und der Roman intimste Details aus der Beziehung schildere.

"Innerstädtischer Tod" sei mit "Esra" jedoch nicht vergleichbar, betont der Verlag. Während "Esra" aufgrund einer Vielzahl individueller Details auf tatsächlichen Begebenheiten beruhe, sei Peters' Roman eindeutig fiktional. Das Gericht schloss sich dieser Einschätzung an: "Die Leser würden nicht ohne Weiteres vermuten, dass der Autor wahre Begebenheiten schildert, auch wenn einzelne Figuren an reale Personen angelehnt sind."

Hat sich König mit der Klage ein Eigentor geschossen?

Für den Literaturwissenschaftler Johannes Franzen ist die Entscheidung nicht nur eine Niederlage für König, sondern könnte sich als PR-Coup für den Verlag erweisen. "Der Verlag hat natürlich sofort angefangen damit Werbung zu machen, weil nichts ist ein größerer aufmerksamkeitsökonomischer Gewinn als ein zünftiger Skandal."

Zwischen Kunst, Politik und moralischer Krise

Es ist der 9. November 2022, die Welt steht im Schatten des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der aufstrebende Künstler Fabian Kolb soll an diesem Abend seine erste große Einzelausstellung in der renommierten Berliner Galerie Konrad Raspe eröffnen. Seine Familie reist extra aus Krefeld an, Eigentümer der letzten verbliebenen deutschen Krawattenmanufaktur, und jeder hat seine eigenen Hoffnungen in dieses Ereignis gesetzt. Sein Onkel Hermann Carius, ein alternder Chefideologe der Neuen Rechten im Bundestag, denkt über einen medienwirksamen Auftritt nach. Fabians Vater sieht die Gelegenheit, über seinen politisch gut vernetzten Schwager weiterhin Ware nach Russland zu exportieren.

Während sich die Gäste im Scheinwerferlicht der Kunstwelt versammeln, wächst in Fabian ein ungutes Gefühl. Ist er bereit, sich auf all die Kompromisse einzulassen, die mit einer internationalen Karriere verbunden sind? Die Zweifel werden noch drängender, als er erfährt, dass sein Galerist Raspe plötzlich im Fokus schwerer Vorwürfe ehemaliger Mitarbeiterinnen steht. Die schillernde Kunstszene Berlins verwandelt sich in ein Minenfeld aus politischen Intrigen, ökonomischen Interessen und moralischen Abgründen.


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