Simons Linien" von Kerstin Fischer – Ein ergreifendes Porträt auf der Suche nach Identität

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Die Suche nach Identität, künstlerischer Ausdruck und das Leben an der Grenze zur Gesellschaft – all das verbindet sich in Kerstin Fischers Roman Simons Linien zu einer eindringlichen und bewegenden Geschichte. Mit Feingefühl und literarischer Tiefe schildert die Autorin das Schicksal eines jungen Künstlers, der zwischen Verlust, Liebe und sozialem Absturz nach seinem Platz in der Welt sucht.

Simons Linien" von Kerstin Fischer Simons Linien" von Kerstin Fischer Kern Verlag

Ein Künstler zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Simon wächst in schwierigen Verhältnissen auf. Geprägt von der psychischen Krankheit seiner Mutter, einer gescheiterten Liebe und dem Abbruch seines Abiturs, findet er Zuflucht in der Kunst. Das Zeichnen mit Bleistift wird für ihn zur Ausdrucksform seiner inneren Konflikte und Träume.

Sein Leben nimmt eine Wendung, als er auf den jüdischen Künstler Arthur Eulen trifft. Arthur wird für Simon zum Mentor und zur Inspirationsquelle. Gemeinsam wagen sie eine Ausstellung, doch der erhoffte Erfolg bleibt aus. Statt sich entmutigen zu lassen, hält Simon an seinem Traum fest, mit seiner Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen und nach Indien zu reisen.

Ein Lichtblick in Simons Leben ist die Begegnung mit Kaja, einer jungen Frau, die ihm neue Hoffnung gibt. Doch auch diese Beziehung ist von Tragik überschattet – Kaja ist schwer krank. Ihr Tod lässt Simon in eine tiefe Krise stürzen. Als er zudem erfährt, dass sein biologischer Vater Roma war, verstärkt dies seine innere Zerrissenheit.

Schließlich wagt er einen Neuanfang in der Großstadt. Doch trotz eines anfänglichen Aufschwungs in einer Wohngemeinschaft und einem Kantinenjob, verliert Simon schließlich alles: seine Arbeit, sein Zuhause und jegliche Sicherheit. Die Straße wird sein neues „Indien“ – ein Ort voller Freiheit, aber auch von Einsamkeit und existenziellem Kampf.

Ein bewegender Schreibstil mit psychologischer Tiefe

Kerstin Fischer gelingt es meisterhaft, Simons Innenwelt authentisch darzustellen. Ihr Schreibstil ist poetisch und zugleich realistisch, wodurch sie eine eindringliche Atmosphäre schafft. Besonders beeindruckend ist die detaillierte Beschreibung der künstlerischen Prozesse Simons. Die Zeichnungen mit Bleistift sind nicht nur eine Metapher für seine Emotionen, sondern spiegeln auch seine innere Entwicklung wider.

Die Figuren sind vielschichtig und lebensecht gezeichnet. Simon ist ein Charakter, der polarisiert – mal bewundert man ihn für seine künstlerische Leidenschaft, mal leidet man mit ihm unter seinen Rückschlägen. Auch Nebenfiguren wie Arthur oder Kaja verleihen der Geschichte zusätzliche emotionale Tiefe.

Gesellschaftskritik und zentrale Themen

Simons Linien ist weit mehr als nur ein Coming-of-Age-Roman. Das Buch beleuchtet tiefgehende gesellschaftliche Themen:

  • Kunst als Ausdruck und Überlebensstrategie: Simon nutzt das Zeichnen, um seine Gefühle zu verarbeiten und sich in einer Welt zu behaupten, die ihn oft zurückweist.

  • Soziale Isolation und Obdachlosigkeit: Der Roman zeigt eindringlich, wie schnell man durch eine Kette unglücklicher Umstände in der Gesellschaft abrutschen kann.

  • Identitätssuche und familiäre Prägung: Simons Herkunft und das schwierige Verhältnis zu seiner Mutter prägen ihn tief. Die Erkenntnis über seinen Vater bringt neue Unsicherheiten mit sich.

  • Liebe und Verlust: Die Beziehung zu Kaja ist ein zentrales Element der Geschichte und verleiht ihr eine emotionale Tiefe, die lange nachhallt.

Vergleich mit anderen Werken des Genres

Wer Simons Linien liest, fühlt sich vielleicht an Werke wie Tschick von Wolfgang Herrndorf oder Eleanor & Park von Rainbow Rowell erinnert. Ähnlich wie diese Romane kombiniert Fischers Buch jugendliche Selbstfindung mit tiefgründigen gesellschaftlichen Themen. Der Unterschied liegt in der kunstbasierten Perspektive, die Simons Linien eine besondere Note verleiht.

Kritikpunkte: Wo das Buch polarisieren könnte

So überzeugend die Geschichte auch ist, gibt es einige Aspekte, die Leser möglicherweise als herausfordernd empfinden könnten:

  • Düstere Thematik: Die permanente Abwärtsspirale von Simon kann stellenweise bedrückend wirken.

  • Offenes Ende: Die Geschichte lässt viele Fragen unbeantwortet, was einige Leser möglicherweise unbefriedigend finden.

  • Manchmal zu poetisch: Fischers Stil ist kunstvoll, aber nicht immer leicht zugänglich. Leser, die einen eher geradlinigen Erzählstil bevorzugen, könnten sich hier schwer tun.

Ein literarisches Meisterwerk mit Tiefgang

Mit Simons Linien ist Kerstin Fischer ein tief bewegender und literarisch anspruchsvoller Roman gelungen. Die Geschichte von Simon, seinem Ringen mit Verlust und Selbstfindung, ist eindringlich erzählt und bleibt lange im Gedächtnis.

Wer auf der Suche nach einer emotionalen, vielschichtigen Geschichte ist, die sich mit Identität, Kunst und sozialer Realität auseinandersetzt, wird an diesem Buch Gefallen finden. Besonders für Leser, die sich für psychologische Tiefe und poetische Sprache begeistern, ist Simons Linien eine klare Empfehlung.

Die Autorin: Kerstin Fischer

Kerstin Fischer wurde 1965 in Achim geboren und hat Germanistik sowie Geschichte studiert. Ihre journalistische Laufbahn begann sie im Feuilleton verschiedener Zeitungen, bevor sie sich 2007 als freie Schriftstellerin etablierte. Ihre Werke umfassen Romane, Novellen und Lyrik, die oft auf Lesungen in Deutschland und Österreich vorgestellt wurden.

Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit widmet sich Fischer intensiv der Kunst, insbesondere Bleistift- und Aquarellzeichnungen. Ihr Lyrikatelier dient ihr als kreative Inspirationsquelle. Für ihre literarische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem Aufenthaltsstipendium in der Berchtoldvilla in Salzburg.


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