Banksy ist weit mehr als nur der berühmteste Street-Art-Künstler der Welt – er ist auch ein Kenner der Kunstgeschichte. In seinem Werk nimmt er ikonische Bilder aus vergangenen Jahrhunderten auf, verfremdet sie und transportiert sie in die Gegenwart. Dabei sind seine Arbeiten nicht bloße Parodien, sondern scharfsinnige Neuinterpretationen, die sich kritisch mit der Gesellschaft und dem Kunstmarkt auseinandersetzen.
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Das Buch Wie Banksy die Kunst rettete von Kelly Grovier beleuchtet genau diesen Aspekt seines Schaffens. In 42 Miniaturen stellt Grovier Banksys Werke ihren historischen Vorbildern gegenüber – von Géricaults „Floß der Medusa“über Monets „Seerosenteich“ bis hin zu prähistorischen Höhlenmalereien. Dabei wird deutlich: Banksy kopiert nicht, sondern denkt weiter. Seine Werke sind ein kluger, humorvoller und manchmal schmerzhafter Kommentar darauf, wie sich Kunst über die Jahrhunderte verändert hat – und was sie uns heute noch zu sagen hat. Erschienen ist das Buch bei: Midas im letzten Jahr.
Hier gehts zur Lese- und Inspirationsprobe
Eine besonders schöne Vorstellung dieses Buches gibt es beim NDR:
🔗 Bildschöne Bücher: "Wie Banksy die Kunst rettete "
Banksys Spiel mit Vergänglichkeit – „Löschen und Zurückspulen“
Was unterscheidet ein millionenschweres Meisterwerk von einem Akt sinnlosen Vandalismus? Banksy beantwortet diese Frage mit einem Augenzwinkern: etwa 17.000 Jahre.
So lange liegt es zurück, dass Menschen in Höhlen ihre ersten Bilder hinterließen – Kunst, die heute als unschätzbares Kulturerbe gilt, während moderne Wandmalerei oft über Nacht von Reinigungsdiensten entfernt wird.
Ein eindrucksvolles Beispiel für Banksys Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte ist sein Werk in den Leake Street Arches, entstanden 2008 im Rahmen des Cans Festival. Dort zeigt er eine Szene, die auf den ersten Blick absurd wirkt, aber eine tiefe Bedeutung hat:
Ein städtischer Straßenreiniger in Warnweste entfernt mit einem Hochdruckreiniger prähistorische Höhlenmalereien – inspiriert von Lascaux (Frankreich) und der Höhle der Hände (Argentinien). Damit stellt Banksy eine scharfsinnige Frage:
"Warum verehren wir jahrtausendealte Kunst, während wir moderne Street Art oft rücksichtslos entfernen?"
Es ist ein cleverer Kommentar zur Vergänglichkeit von Kunst – und zur Willkür, mit der entschieden wird, was bewahrt wird und was nicht.
Street Art: Kunst oder Tourismus für Millionäre?
Banksy provoziert nicht nur mit seinen Bildern, sondern auch mit seinen Worten. Kunst, so argumentiert er, sei nicht wie andere Kulturformen. Musik, Literatur oder Film würden vom Publikum aktiv gewählt – aber die bildende Kunst? Sie werde von einer kleinen Elite bestimmt.
„Wenn Sie eine Kunstgalerie besuchen, sind Sie einfach nur ein Tourist, der einen Trophäenschrank von ein paar Millionären betrachtet.“
Ein Gedanke, der angesichts des heutigen Kunstmarktes mehr als zutrifft: Während Werke wie sein eigenes für Millionen versteigert werden, gilt das illegale Graffiti von Unbekannten weiterhin als bloße Sachbeschädigung.
Mit seinem berühmten Werk „Girl with Balloon“, das sich nach einer Auktion vor den Augen der Käufer selbst zerstörte, hat Banksy dieses Dilemma auf geniale Weise entlarvt.
Banksy als Künstler unserer Zeit
Was Wie Banksy die Kunst rettete so besonders macht, ist die Art, wie Kelly Grovier Banksys Werke in einen kunsthistorischen Zusammenhang stellt. Banksy wird nicht als einfacher Street-Art-Künstler dargestellt, sondern als intelligenter Chronist der Kunstgeschichte, der klassische Werke nicht nur adaptiert, sondern weiterentwickelt.
Dabei geht es nicht um trockene Kunsttheorie – sondern um einen spielerischen, zugänglichen und manchmal augenzwinkernden Zugang zur Kunstgeschichte. Banksy fordert uns auf, Kunst nicht nur zu betrachten, sondern uns mit ihr auseinanderzusetzen. Vielleicht ist es genau diese Interaktion, die ihn zum Künstler unserer Zeit macht.
Denn am Ende gilt: Kunst liegt immer im Auge des Betrachters – und in der Auseinandersetzung mit ihr.
Ein wunderschönes, kluges Buch über Banksy und die Kunstgeschichte
Wie Banksy die Kunst rettete ist ein Buch für alle, die Banksys Werke lieben – und für alle, die Kunst neu entdecken möchten. Kelly Grovier schafft es, Banksys Arbeiten in einen kunsthistorischen Rahmen zu setzen, ohne sie zu überinterpretieren.
Das Buch ist nicht nur optisch ein Genuss, sondern auch eine Einladung, die Kunstgeschichte durch Banksys Linse neu zu betrachten – mit Humor, Ironie und einem Hauch von Rebellion.
Der Autor:
Kelly Grovier (*1968 in Grand Rapids, Michigan) ist ein amerikanischer Dichter, Historiker und Kunstkritiker. Er hat zahlreiche Bücher zu Kunst und Literatur veröffentlicht und schreibt regelmäßig für die Times Literary Supplement. An der University of California, Los Angeles (UCLA) und später als Marshall Scholar an der Oxford University studierte er und promovierte dort 2005 über den Philosophen John "Walking" Stewart. Neben seiner literaturwissenschaftlichen Arbeit veröffentlichte er mehrere Gedichtbände, darunter A Lens in the Palm (2008) und The Lantern Cage (2014), und wurde als eine Art „William Blake des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Seine Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere auf der britischen Romantik, wobei er Werke von Wordsworth, Coleridge und Keats neu interpretierte.
Grovier hat zudem über die Geschichte des berüchtigten Newgate-Gefängnisses in London geschrieben, die als Book of the Week der BBC ausgestrahlt wurde. In der Kunstkritik machte er sich mit Analysen zu Sean Scully, Cy Twombly und Banksy einen Namen. Sein Buch 100 Works of Art That Will Define Our Age (2013) beleuchtet die bedeutendsten Kunstwerke seit 1989, darunter Werke von Ai Weiwei, Damien Hirst und Gerhard Richter. Mit seiner Prägung des Begriffs Synphrasis – die Verschmelzung von Bild- und Wortkunst – beeinflusste er sogar die Byzantinistik. In Wie Banksy die Kunst rettete zeigt er, dass Banksy nicht nur ein Street-Art-Provokateur ist, sondern auch ein Künstler mit tiefem kunsthistorischem Bewusstsein.