Mit "Konklave" liefert der britische Erfolgsautor Robert Harris einen Politthriller, der hinter die verschlossenen Türen der Sixtinischen Kapelle führt. Der Roman, der 2017 im Heyne Verlag erschien und von Wolfgang Müller ins Deutsche übersetzt wurde, verbindet die spannende Atmosphäre eines Kirchenkrimis mit den komplexen Machtstrukturen eines Politthrillers. Harris beleuchtet eines der geheimnisvollsten Rituale der katholischen Kirche: die Wahl eines neuen Papstes. Dabei gelingt es ihm, kirchenpolitische Intrigen mit persönlichen Dramen und ethischen Fragestellungen zu verweben und dem Leser einen faszinierenden Blick auf die innersten Machtmechanismen des Vatikans zu bieten. (Leseprobe Konklave)
Der plötzliche Tod des Papstes und ein Ritual voller Intrigen
Nach dem unerwarteten Tod des amtierenden Papstes steht die katholische Kirche vor einer wichtigen Entscheidung: der Wahl eines neuen geistlichen Oberhauptes. Für Kardinal Lomeli, den Dekan des Kollegiums, ist dies nicht nur eine organisatorische Herausforderung, sondern auch eine persönliche Belastungsprobe. Während er versucht, das Konklave ordnungsgemäß zu leiten, enthüllen sich immer mehr Intrigen, die den Prozess und die Kandidaten in ein neues Licht rücken.
Die Kardinäle, die aus allen Teilen der Welt anreisen, sind nicht nur Diener der Kirche, sondern auch Menschen mit Ambitionen, Fehlern und Geheimnissen. Harris beleuchtet die Dynamik innerhalb dieser abgeschotteten Gemeinschaft und zeigt, wie persönliche Interessen mit spirituellen Idealen kollidieren. Unerwartete Wendungen und Enthüllungen, darunter ein überraschender Anwärter, halten die Spannung bis zum dramatischen Ende hoch.
Der Vatikan als Hauptfigur
Robert Harris zeichnet ein detailliertes Bild des Vatikans als Schauplatz der Handlung. Die Sixtinische Kapelle, die strengen Sicherheitsmaßnahmen und die jahrhundertealten Rituale wirken authentisch und lebendig. Besonders beeindruckend ist die Art, wie Harris die Atmosphäre einfängt: feierlich, geheimnisvoll und voller unterschwelliger Spannungen. Der Vatikan wird nicht nur als Schauplatz, sondern fast als eigenständiger Charakter dargestellt – eine Welt, die von Traditionen und Machtkämpfen geprägt ist.
Ein zerrissener Protagonist
Kardinal Lomeli ist ein eindringlich gestalteter Hauptcharakter. Seine inneren Konflikte zwischen Pflichtbewusstsein, persönlichem Glauben und Zweifel machen ihn zu einer überzeugenden Figur. Harris zeigt ihn als jemanden, der trotz seiner hohen Position menschlich bleibt – mit Schwächen und Momenten des Zynismus.
Die Nebenfiguren sind ebenfalls stark gezeichnet. Die Kardinäle verkörpern eine Bandbreite an Persönlichkeiten: der machtbewusste Taktiker, der bescheidene Gläubige, der Außenseiter mit dunkler Vergangenheit. Dennoch verfällt Harris gelegentlich in Klischees, etwa bei der Darstellung konservativer versus liberaler Kräfte in der Kirche.
Spannung bis zum letzten Rauchsignal
Harris' klare und direkte Sprache passt perfekt zum Thema. Ohne überflüssige Ausschmückungen beschreibt er die komplexen Abläufe und erzeugt dennoch eine fesselnde Atmosphäre. Die kurzen Kapitel sorgen für ein hohes Tempo und einen konstanten Spannungsbogen, während überraschende Enthüllungen und Wendungen den Leser immer wieder aufs Neue überraschen.
Mehr als ein Krimi
Trotz der spannenden Handlung wirft "Konklave" auch tiefere Fragen auf. Es geht um Moral, Macht und die Zerbrechlichkeit des Glaubens – Themen, die über die kirchliche Welt hinausreichen. Harris selbst sagte in einem Interview: „Ich wollte zeigen, dass diese Männer keine unfehlbaren Heiligen sind, sondern Menschen mit Ambitionen und Fehlern.“ Diese Perspektive durchzieht den gesamten Roman und verleiht ihm eine universelle Relevanz.
Starke Themen mit leichten Schwächen
Harris schafft es, die Mechanismen der Papstwahl als Spiegel größerer gesellschaftlicher Themen darzustellen. Besonders die Frage, wie Macht und Moral miteinander vereinbar sind, steht im Mittelpunkt. Kann jemand, der in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, dennoch ein geistlicher Führer sein? Diese Konflikte werden glaubwürdig und fesselnd dargestellt.
Durch die manchmal zu schematische Gegenüberstellung von konservativen und progressiven Kräften wirken einige Konflikte vorhersehbar. Dennoch überwiegt die intelligente und differenzierte Erzählweise, die den Leser in ihren Bann zieht.
Ein Thriller mit Tiefgang
"Konklave" ist ein gelungener Roman, der den Leser mit seiner intensiven Atmosphäre und den gut gezeichneten Figuren in den Bann zieht. Robert Harris verbindet kirchenpolitische Intrigen mit menschlichen Dramen und erschafft ein Werk, das sowohl Spannung als auch Nachdenklichkeit bietet. Der überraschende Ausgang bleibt lange im Gedächtnis und regt dazu an, über die dargestellten Machtmechanismen nachzudenken.
Wer an der geheimnisvollen Welt des Vatikans oder an gut recherchierten Politthrillern interessiert ist, wird von "Konklave" nicht enttäuscht.
Über den Autor
Robert Harris, geboren 1957 in Nottingham, ist einer der erfolgreichsten britischen Autoren zeitgenössischer Politthriller. Mit Werken wie "Fatherland", "Pompeji" und der Cicero-Trilogie hat er sich einen festen Platz in der Literaturszene geschaffen. Seine akribische Recherche und sein schnörkelloser Stil machen ihn zu einem Meister der atmosphärischen Erzählung.