Mit seinem neuen Roman „Zauberberg 2“, erschienen am 28. November 2024 im Rowohlt Verlag, präsentiert Heinz Strunk eine moderne Auseinandersetzung mit Thomas Manns Klassiker „Der Zauberberg“. Der Autor verzichtet auf eine parodistische Annäherung und entwirft stattdessen eine Hommage, die aktuelle Themen wie Burnout, psychische Gesundheit und gesellschaftliche Entfremdung in den Mittelpunkt rückt. Die bewusste Provokation des Titels zeigt Strunks Fähigkeit, humorvoll mit literarischen Traditionen umzugehen, ohne dabei respektlos zu wirken.
Inhaltsangabe
Im Zentrum des Romans steht Jonas Heidbrink, ein moderner Erfolgsmensch, der äußerlich makellos erscheint, aber innerlich zerrüttet ist. Nach Jahren intensiver beruflicher Leistungen, die ihm finanzielle Sicherheit verschafften, spürt Heidbrink eine unüberwindbare Leere in seinem Leben. Der Roman setzt mit seinem freiwilligen Rückzug in ein abgelegenes Sanatorium in der mecklenburgisch-polnischen Grenzregion ein.
Das Sanatorium, eine heruntergekommene, sumpfige Einöde, wird zum Schauplatz innerer und äußerer Konflikte. Dort trifft Heidbrink auf andere Patienten mit ebenso gebrochenen Lebensläufen und kämpft mit den Routinen des Klinikalltags. Das Setting, geprägt von isolierter Abgeschiedenheit und wirtschaftlicher Instabilität, verstärkt die düstere, teils absurde Atmosphäre. Als ein mysteriöser Unglücksfall die fragile Ordnung der Klinik ins Wanken bringt, spiegelt sich das innere Chaos der Figuren in der äußeren Handlung wider.
„Ich wollte den Spießern Futter geben“ (Heinz Strunk über seinen Roman)
Ein mutiger Titel und seine Wirkung
Mit dem Titel „Zauberberg 2“ positioniert sich Heinz Strunk bewusst in einer kontroversen Diskussion. Die bewusste Provokation – und die Zustimmung der Thomas-Mann-Gesellschaft – verleihen dem Buch eine interessante Ausgangsposition. Strunk geht jedoch über bloße Provokation hinaus, indem er Thomas Manns Werk weder parodiert noch trivialisierend behandelt. Vielmehr greift er zentrale Themen auf, modernisiert sie und übersetzt sie in einen zugänglicheren Kontext.
Während Thomas Manns „Zauberberg“ ein monumentales Werk mit über 1000 Seiten ist, reduziert Strunk seinen Roman auf knappe 288 Seiten. Diese Kürze steht nicht nur für eine bewusste Entscheidung gegen epische Erzählweisen, sondern reflektiert auch die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit. Strunk gelingt es, komplexe Themen wie seelische Krankheiten, Isolation und Sinnsuche in einer prägnanten Form darzustellen, ohne den Tiefgang seiner Figuren zu verlieren.
Das flache, sumpfige Grenzgebiet -„Polenrandgebiet“ bei Anklam in dem Strunk sein Sanatorium ansiedelt, bildet einen bewussten Kontrast zu Manns alpiner Kulisse. Ein Schloss wie aus vergangen Zeiten. Dieser Wechsel von Höhen zu Tiefen ist nicht nur geografisch symbolisch, sondern spiegelt auch die Verschiebung der Themen wider: Von körperlichen zu seelischen Krankheiten. Der morbide Charme der heruntergekommenen Heilanstalt, das sich zunehmend als fragiles System entpuppt, steht exemplarisch für die Dekadenz und Dysfunktion moderner Institutionen.
Indem Strunk die Geschichte in einer psychosomatischen Klinik ansiedelt, behandelt er aktuelle Themen wie Burnout und die Suche nach Sinn in einer kapitalistischen Gesellschaft. Jonas Heidbrink verkörpert den modernen Menschen, der trotz äußerlicher Erfolge in existenzielle Krisen gerät. Dabei bleibt der Roman subtil und vermeidet plakative Anklagen oder Lösungen.
Der rätselhafte Unglücksfall in den Sümpfen bringt eine zusätzliche Spannungsebene in die introspektive Erzählung. Strunk kombiniert diese Spannung mit seinem typischen Humor, der sich vor allem in ironischen Beobachtungen und pointierten Dialogen zeigt. Dabei schafft er es, weder in Zynismus noch in übertriebenen Klamauk zu verfallen.
Wer ist Jonas Heidbrink
Jonas Heidbrink ist das Porträt eines typischen Leistungsträgers der heutigen Zeit. Seine Isolation im Sanatorium erlaubt es ihm, nicht nur seine inneren Konflikte zu reflektieren, sondern auch seine Beziehungen zu anderen Patienten zu hinterfragen. Strunk gelingt es, Heidbrink als glaubwürdige Figur zu zeichnen, die sowohl Empathie als auch kritische Distanz beim Leser hervorruft.
Vergleich mit Thomas Manns „Zauberberg“
Strunks „Zauberberg 2“ ist keine Fortsetzung im klassischen Sinne. Vielmehr handelt es sich um eine Neuinterpretation zentraler Themen. Während Manns Werk von philosophischen Dialogen und langen Erzählsträngen geprägt ist, setzt Strunk auf prägnante, pointierte Szenen. Der Wechsel des Schauplatzes von den Bergen in die Sümpfe und der Fokus auf psychische Krankheiten statt körperlicher Gebrechen aktualisieren das Thema für ein modernes Publikum.
Strunk´s Schreibstil ist wie immer genial. Das ständige Wechseln zwischen der Handlung und den Gedanken des Jonas Heidbrink- eingänglich, prall von Humor und skurrilen Beschreibungen, lassen die Geschichte des Romanes lebendig werden.