Der deutsche Schriftsteller und Lyriker Jürgen Becker, eine prägende Gestalt der Nachkriegsliteratur und ein bekanntes Mitglied der „Gruppe 47“, ist am 7. November 2024 im Alter von 92 Jahren in Köln verstorben. Sein friedlicher Tod wurde von seinem Verlag Suhrkamp sowie seinem Sohn, dem Fotografen Boris Becker, im Beisein der Familie bestätigt.
Becker hinterlässt ein beeindruckendes literarisches Erbe, das seine experimentelle Prosa und Lyrik, aber auch die tief verankerten Erinnerungen an seine ostdeutsche Kindheit widerspiegelt. In den 1960er-Jahren wurde er vor allem durch Werke wie Felder (1964) und Ränder (1968) bekannt, in denen er die subjektiven Grenzen der Wirklichkeitserfahrung auslotete. In den folgenden Jahrzehnten verlagerte er seinen Fokus stärker auf Lyrik und hinterfragte kontinuierlich die Grenzen zwischen Prosa und Dichtung. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen Das Ende der Landschaftsmalerei (1974) und In der verbleibenden Zeit (1979), bis hin zu seinem letzten Werk Nachspielzeit. Sätze und Gedichte, das ebenfalls bei Suhrkamp erschien.
Für seine Pionierarbeit in der Verschmelzung von Prosa und Lyrik erhielt Becker zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Peter-Huchel-Preis (1994), den Uwe-Johnson-Preis (2001), den Hermann-Lenz-Preis (2006) und den Günter-Eich-Preis (2013). Im Jahr 2014 verlieh ihm die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Georg-Büchner-Preis und würdigte damit seinen kontinuierlichen Beitrag zur Erneuerung literarischer Formen als ein „fortwährendes Aufbrechen von Gattungsgrenzen“.
Am 10. Juli 1932 in Köln geboren, verbrachte Becker seine Jugend in Erfurt. Die Erfahrungen des Krieges und seine ostdeutsche Herkunft prägten ihn tief und finden sich immer wieder in seinen Werken: Bilder von verschneiten Tagen, verdunkelten Fenstern und dem säuerlichen Geschmack der Buttermilch ziehen sich wie Erinnerungsfäden durch sein Schaffen. In einer Art literarischer Spurensuche beschrieb Becker seine Arbeit als den Versuch, die flüchtigen Bilder der Vergangenheit festzuhalten und die „verlorene Zeit“ wiederzufinden.
Mit Jürgen Becker verliert die deutsche Literatur eine bedeutende Stimme der experimentellen und lyrischen Dichtung. Sein Schaffen über Jahrzehnte hinweg war eine ständige Herausforderung und Erneuerung der literarischen Form und wird in der deutschen Literaturlandschaft tief vermisst werden.