Unerschütterliche Stimme gegen Diktatur und Antisemitismus Verleihung des Arik-Brauer-Publizistikpreis an Herta Müller

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Herta Müller, die Literaturnobelpreisträgerin von 2009, wurde am 21.10.2024 durch Verleihung des Arik-Brauer-Publizistikpreises 2024 in Wien für ihr außergewöhnliches literarisches Werk geehrt. Müller, die für ihren kompromisslosen Einsatz für Wahrheit und Widerstand gegen Diktaturen bekannt ist, stand im Mittelpunkt der Veranstaltung, bei der auch weitere herausragende Persönlichkeiten wie die Terrorismusexpertin Rebecca Schönenbach, der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn und Arye Sharuz Shalicar, der Sprecher der Israelischen Verteidigungskräfte, ausgezeichnet wurden.

Hertha Müller Hertha Müller Von LadyDisdain13 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, wikipedia

Laudatio von Josef Joffe

Die Laudatio auf Herta Müller hielt Josef Joffe (nachzulesen in der Jüdische Allgemeine), ehemaliger Herausgeber der Zeit. In seiner Rede lobte Joffe Müllers „sprachliche Energie“, die den Leser sofort gefangen nimmt, und betonte, wie ihre Weigerung, das Unrecht zu akzeptieren, sich durch ihre gesamte literarische Arbeit zieht. Müllers Werk, das tief in ihrer eigenen Erfahrung des Lebens in der Ceausescu-Diktatur verwurzelt ist, sei ein Zeugnis ihres Widerstands gegen Angst, Verrat und Unterdrückung. „Für Herta Müller ist Widerstand Methode“, so Joffe. Er erinnerte an die Worte des Nobelpreiskomitees, das Müllers „großen Mut, Unterdrückung und Terror kompromisslos zu widerstehen“, als Grund für ihre Auszeichnung anführte.

Thematisierung des Totalitarismus

Herta Müllers literarischer Fokus auf die zerstörerischen Folgen des Totalitarismus und der „Dressur der Angst“, wie sie es nennt, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Werke. Joffe stellte heraus, dass Müllers Erfahrungen in Rumänien sie nachhaltig geprägt haben und ihre Schilderungen des täglichen Lebens in einem Staat, in dem „der Einzelne keinen Wert hatte und im Gegenteil verdächtig war“, mehr über den Kern des Totalitarismus aussagen als ganze Bibliotheken. Ihre Worte zum gesenkten Kopf, der kein Schwert trifft, spiegeln eine widerwillige Akzeptanz der Unterdrückung wider, die Müller in ihren Texten anprangert.

Müllers Kritik an Gleichgültigkeit und der politischen Lage

Im Westen, so Joffe, sei die Freiheit oft selbstverständlich, während Müller in ihrer Literatur immer wieder die Gleichgültigkeit gegenüber Diktaturen und die Bereitschaft zur Kompromisslosigkeit im Widerstand thematisiere. Ihre unverblümte Kritik an jenen, die nach dem Fall der Berliner Mauer zu wenig über die Freiheit sprechen, und ihre klare Haltung zur Ukraine und dem Nahen Osten, in dem sie vor der Vereinnahmung von Terrornarrativen warnt, zeugen von ihrer scharfsinnigen Beobachtung der aktuellen politischen Lage.

Klarer Standpunkt zum Nahostkonflikt

Besonders deutlich wurde dies in Müllers Texten zum Nahostkonflikt nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023. In der FAZ fragte sie provokant, ob man bei diesen Massakern nicht an die Verbrechen der Nazis denken dürfe. Sie verurteilte die systematische Vernichtungslust der Hamas, die nichts mit Gerechtigkeit für Palästinenser zu tun habe, sondern ausschließlich auf die Auslöschung des jüdischen Volkes abziele. Joffe zitierte Müller weiter, als sie die moderne Form des Antisemitismus im Gewand des Antizionismus anprangerte und sich scharf gegen jene aussprach, die antisemitische Parolen wie „From the River to the Sea“ verbreiten. In einer unvergesslichen Passage verglich Müller die Proteste queerer Gruppen gegen Israel, das für ihre Freiheit kämpft, mit einem „Huhn, das für Kentucky Fried Chicken demonstriert“.

Schlusswort und Würdigung von Herta Müllers Werk

Josef Joffe schloss seine Laudatio mit einem Zitat des Dichters Paul Celan, das Herta Müller selbst oft verwendet: „Ich kann mir die Welt ohne Israel nicht vorstellen.“ Und Joffe fügte hinzu: „Ich kann mir unsere heutige Welt nicht ohne die kompromisslose Literatur der Herta Müller vorstellen.“ Diese Worte fassen treffend zusammen, warum Müller nicht nur als Literatin, sondern als unermüdliche Kämpferin für die Menschlichkeit und gegen das Vergessen geehrt wird.

Auszeichnung von Arye Sharuz Shalicar und abschließende Reflexion

Die Veranstaltung in Wien, bei der auch Arye Sharuz Shalicar, der Sprecher der Israelischen Verteidigungskräfte, mit einem Sonderpreis für sein publizistisches Wirken ausgezeichnet wurde, führte unter anderem zu intensiven Diskussionen über die aktuelle geopolitische Lage. Shalicar sprach in seiner Dankesrede über die Herausforderungen, denen sich Israel international stellen muss, und wie die jüdische Gemeinschaft oft ungerecht beurteilt wird. In einem anschließenden Interview hob er hervor, dass die Auszeichnung ihm persönlich Kraft und Anerkennung gebe.

Doch es war Herta Müller, deren unerschütterliche Haltung gegen Diktaturen und Antisemitismus den Abend prägte. Mit ihrem literarischen Werk und ihrem öffentlichen Engagement erinnert sie uns daran, dass Tatsachen nicht verhandelbar sind – eine Maxime, die uns in einer Welt, die oft von Verzerrung und Desinformation geprägt ist, Orientierung gibt. Herta Müller zeigt durch ihre Werke und ihre Worte, dass der Widerstand gegen das Unrecht niemals aufhören darf.

Der Arik-Brauer-Publizistikpreis, der seit 2021 jährlich vom Verein Mena-Watch vergeben wird, würdigt fundierte Beiträge zur öffentlichen Debatte über den Nahen Osten. Mena-Watch hat es sich zur Aufgabe gemacht, das politische Geschehen in dieser Region objektiv zu beobachten, insbesondere angesichts des in vielen Medien verbreiteten offenen oder unterschwelligen Antisemitismus und einer oft einseitigen Darstellung von Israels Verteidigung gegen Terror. Der Preis ist nach dem österreichisch-jüdischen Künstler Arik Brauer benannt, der die Skulptur kurz vor seinem Tod 2021 fertigstellte.

Herta Müller, geboren am 17. August 1953 in Nitzkydorf, Rumänien, ist eine deutsch-rumänische Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin (2009). Als Angehörige der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien erlebte sie die Repressionen des Ceaușescu-Regimes und arbeitete als Übersetzerin, bevor sie wegen ihres Widerstands gegen das Regime Berufsverbot erhielt. 1987 emigrierte sie nach Westdeutschland.

In ihrem Werk setzt sich Müller intensiv mit den Themen Totalitarismus, Überwachung und Repression auseinander, oft basierend auf ihren eigenen Erfahrungen. Zu ihren bekanntesten Werken zählen "Atemschaukel" und "Der Fuchs war damals schon der Jäger". Müllers Prosa zeichnet sich durch präzise Sprache und eine tiefe Ergründung menschlicher Traumata unter diktatorischen Systemen aus.


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