"Kurz vor dem Rand" von Eva Rottmann holt Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 in der Sparte Jugendbuch
Ari´s Leben
Ari ist siebzehn, leidenschaftliche Skaterin und das einzige Mädchen in ihrer Clique. Sie liebt es, sich durchzusetzen und distanziert sich von typischen Mädchenthemen wie Schminken und Mode. Ihr Alltag auf der Skaterbahn verläuft harmonisch, bis Tom, ein neuer Junge, auftaucht. Während die anderen von Toms Skaterkünsten beeindruckt sind, hält Ari ihn für einen Angeber. Doch als sie seine verletzliche Seite entdeckt, ändert sich ihre Meinung, und sie entwickelt Gefühle für ihn – obwohl er bereits eine Freundin hat.
Ari erzählt ihre Geschichte in Tagebucheinträgen. Dabei reflektiert sie nicht nur ihre Gefühle für Tom, sondern auch ihr kompliziertes Familienleben. Sie lebt bei ihrem Vater, da ihre Mutter mit Alkoholproblemen zu kämpfen hat. Viele Jugendliche in ihrer Clique, die in der sozial schwachen Gegend „Feuersteig“ aufwachsen, teilen ähnliche familiäre Herausforderungen. Auf der Skaterbahn jedoch verschwimmen soziale Unterschiede, und alle finden in der Gemeinschaft der Skater Halt.
Starke Themen und Authentizität
Eva Rottmann gelingt es, in Kurz vor dem Rand komplexe und oft tabuisierte Themen wie Geschlechtsidentität, Sexualität und psychische Gesundheit sensibel und glaubwürdig darzustellen. Besonders gelungen ist die Reflexion über Geschlechterrollen und die Erwartungen, denen Jugendliche ausgesetzt sind. Fragen wie „Muss ich sexuelle Erfahrungen machen, um in einer Beziehung akzeptiert zu werden?“ oder „Was ist meine Rolle in der Gruppe?“ werden tiefgründig und ohne erhobenen Zeigefinger thematisiert.Rottmann zeichnet Ari als authentische, starke Figur, die sich nicht nur im Skater-Milieu behauptet, sondern auch persönliche Herausforderungen wie die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter meistert. Der Skaterpark wird dabei zu einem Ort der Gemeinschaft, an dem soziale Unterschiede aufgehoben sind und jeder seinen Platz findet.
Positiv trotz schwerer Themen
Trotz der ernsten Themen bleibt das Buch durchweg hoffnungsvoll. Freundschaften spielen eine zentrale Rolle und bieten den Jugendlichen den notwendigen Halt, um mit den Herausforderungen ihrer Umgebung fertig zu werden. Diese positive Botschaft macht Kurz vor dem Rand zu einer wertvollen Lektüre für Jugendliche, da es zeigt, dass trotz widriger Umstände Lösungen und Unterstützung in zwischenmenschlichen Beziehungen zu finden sind.Sprache und Erzählweise
Die Erzählform in Tagebucheinträgen verleiht dem Buch eine besondere Nähe zur Hauptfigur und ermöglicht den Leser, tief in Aris Gedankenwelt einzutauchen. Rottmann trifft den richtigen Ton, ohne auf klischeehafte Jugendsprache zurückzugreifen. Die Sprache ist authentisch und für die Zielgruppe ansprechend, was das Buch besonders zugänglich macht.Fokus auf innere Konflikte
Die Handlung konzentriert sich sehr stark auf die inneren Konflikte der Figuren und weniger auf äußerliche Dynamik. Dieser Fokus auf die emotionalen und persönlichen Entwicklungen macht die Tiefe des Buches aus. Die positive Botschaft des Zusammenhalts und der Freundschaft inmitten schwieriger Lebensumstände lässt Kurz vor dem Rand als hoffnungsvolles Werk hervorstechen.Die Autorin
Eva Rottmann, geboren 1983 in Wertheim, lebt heute mit ihren Kindern in Zürich. Sie ist eine vielseitige Autorin, die sowohl Theaterstücke als auch Prosa verfasst und eigene Performance- sowie Theaterprojekte entwickelt. Zudem arbeitet sie als Literaturvermittlerin in Schulklassen und lehrt an der Zürcher Hochschule der Künste. Für ihre literarische Arbeit wurde Rottmann mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Kranichsteiner Kinder- und Jugendliteraturstipendium, dem KIMI-Siegel und dem „Luchs des Monats“ und jetzt außerdem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 in der Sparte Jugendbuch.
Ihr Werk zeichnet sich durch eine enge Verbindung zur Lebenswelt junger Menschen aus, wobei sie gesellschaftlich relevante Themen aufgreift und auf einfühlsame Weise verarbeitet.