Preisträgerin der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises 2024: „Durch das große Feuer“ von Alice Winn
Alice Winns „Durch das große Feuer“, erschienen 2023 im Eisele Verlag, übersetzt aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp und Benjamin Mildner- wurde 2024 von der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises in der Sparte „Jugendbuch“ ausgezeichnet. Dieser renommierte Preis wird in verschiedenen Kategorien vergeben, um herausragende Literatur für Kinder und Jugendliche zu würdigen. In ihrem Debütroman verknüpft Winn die Schrecken des Ersten Weltkriegs mit einer einfühlsamen Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern. Das Werk, das sowohl den Krieg als auch die Identitätssuche thematisiert, fand insbesondere in der Jugendjury großen Anklang.
Gaunt und Ellwood
„Durch das große Feuer“ erzählt von Henry Gaunt und Sidney Ellwood, zwei Freunden, die in einem britischen Internat aufwachsen und durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die Armee eintreten. Gaunt, der heimlich Gefühle für seinen besten Freund Ellwood hegt, findet sich in einem Dilemma wieder: Seine Homosexualität darf in dieser repressiven Zeit nicht offenbart werden. Ellwood hingegen, fasziniert von der Romantik des Krieges, meldet sich aus patriotischen Motiven an die Front.
Die beiden werden gemeinsam in die grausame Realität des Grabenkriegs geworfen. Die ständige Bedrohung, die Monotonie und der Schrecken des Krieges führen nicht nur zu einer tiefen Erschöpfung, sondern bringen auch ihre Gefühle füreinander ans Licht. Während sie um ihr Überleben kämpfen, stellt sich für Gaunt und Ellwood die Frage, wie viel ein Mensch ertragen kann, bevor er daran zerbricht. Der Krieg, der sie zusammengeführt hat, könnte ihre Freundschaft und ihre Liebe ebenso zerstören.
Alice Winn schildert den Alltag der Soldaten an der Westfront eindrucksvoll und ungeschönt. Brutale Schlachten wechseln sich mit leisen, intimen Momenten ab, in denen die Protagonisten Trost und Stärke in ihrer Freundschaft und gegenseitigen Zuneigung finden.
Hemmungen und Ängste der beiden Männer besonders gelungen
Winns Roman geht weit über die bloße Darstellung historischer Ereignisse hinaus. Durch das große Feuer verbindet die Schrecken des Krieges mit einer Liebesgeschichte, die im Verborgenen bleiben muss. Die Schilderungen des Grabenkriegs sind eindringlich und voller Details, die die Verzweiflung und das Ausgeliefertsein der jungen Soldaten verdeutlichen. Gleichzeitig bleibt Winns Fokus stets auf der Beziehung zwischen Gaunt und Ellwood, die in einer extremen Situation zueinanderfinden. Diese Balance zwischen Kriegsrealität und intimen Gefühlen macht den Roman besonders eindrucksvoll.
Besonders lobenswert ist die sensible Darstellung der inneren Konflikte von Gaunt und Ellwood. Winn beschreibt die Hemmungen und Ängste, die mit dem Verstecken der eigenen Identität einhergehen, und schafft es, die Zerrissenheit der Figuren authentisch und greifbar darzustellen.
So wird Durch das große Feuer nicht nur zu einer Liebesgeschichte, sondern auch zu einem Buch über das Überleben und den inneren Kampf um die eigene Identität.
Die Übersetzung von Ursula Wulfekamp und Benjamin Mildner ist ebenfalls gelungen. Sie fangen die poetische Sprache des Originals ein und tragen zur atmosphärischen Dichte des Romans bei. Die Schwere und Melancholie, die in vielen Passagen mitschwingen, wurden sehr gut ins Deutsche übertragen.
Die Szenen des Soldatenalltags und die andauernde Bedrohung unterstützen die Darstellung und die Zermürbung und die trostlose Hoffnungslosigkeit, die die jungen Männer erleben.
Lesenswert für Jugendliche und Erwachsen gleichermaßen
Durch das große Feuer ist ein intensiver Roman, der historische und persönliche Schicksale eindrucksvoll verknüpft. Die Themen Krieg, Freundschaft, Identität und Liebe werden hier tiefgründig behandelt und machen den Roman zu einem Werk, das sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene lesenswert ist. Die Auszeichnung durch die Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises 2024 ist eine wohlverdiente Würdigung für ein Buch, das in vielerlei Hinsicht herausragt und zeitlose Themen aufgreift.
Winn fordert ihre Leserinnen und Leser auf, sich mit schwierigen Fragen auseinanderzusetzen: Wie findet man im Chaos des Krieges zu sich selbst? Wie lebt man die eigene Identität in einer Welt, die sie nicht akzeptiert? Und wie kann Freundschaft bestehen, wenn die Umstände ständig gegen sie arbeiten? Besonders für junge Erwachsene, die mit Fragen der Selbstfindung und dem Erwachsenwerden ringen, bietet Durch das große Feuer eine wertvolle Perspektive.
Autorin
Alice Winn wurde in Paris geboren und verbrachte ihre Schulzeit in britischen Internaten. Nach ihrem Studium der Englischen Literatur an der renommierten Oxford University zog sie nach Brooklyn, wo sie neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin auch Drehbücher verfasst. Durch das große Feuer, ihr Debütroman, wurde 2024 von der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet und von Waterstones zum „Roman des Jahres“ gekürt. Winns Werk besticht durch seine eindringliche Darstellung emotionaler und historischer Tiefe; sie verleiht ihren Figuren Leben und schafft es, historische Ereignisse fühlbar und greifbar werden zu lassen.