Eine Reise in das Herz moderner Identität „Nochmal von vorne“ von Dana von Suffrin: Ein Roman über Neuanfänge, Familie und Selbstfindung

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Nochmal von vorne Nochmal von vorne Dana von Suffrin Kiepenheuer&Witsch

Dana von Suffrin hat mit ihrem neuen Roman Nochmal von vorneerneut ein literarisches Werk geschaffen, das sowohl tiefgründig als auch humorvoll ist. Das Buch behandelt zentrale Themen wie Neuanfänge, die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, familiäre Bindungen und das Erbe traumatischer Vergangenheit. Auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 stehend, zeigt dieser Roman eindrucksvoll, warum von Suffrin zu den herausragendsten Autorinnen der Gegenwart zählt. Erschienen ist der Roman bei Kiepenheuer&Witsch.

Inhalt und Themen: Neuanfänge und das Erbe der Vergangenheit

Im Zentrum des Romans steht Rosa, die Erzählerin, die von familiären Traumata und ihrer jüdischen Herkunft geprägt ist. Das Hauptthema des Buches, das sich durch die gesamte Erzählung zieht, ist der Neuanfang. Rosa beschließt, ihre Geschichte „nochmal von vorne“ zu erzählen. Damit versucht sie, ihre Vergangenheit zu bewältigen und einen Neuanfang zu wagen, ähnlich wie ihre Großmutter, die anhand alter Familienfotos ihre eigene Geschichte ebenfalls neu zu erzählen versucht.

Diese Erzählstruktur ist eine kraftvolle Metapher für die Verarbeitung von Traumata und die Suche nach der eigenen Identität. Das Thema des Neuanfangs zieht sich nicht nur durch Rosas Leben, sondern auch durch die gesamte Familiengeschichte, die von Holocaust-Überlebenden und dem Erbe dieser Generation geprägt ist. Diese vielschichtige Erzählung verbindet persönliche Schicksale mit der größeren historischen Tragödie des 20. Jahrhunderts.

Familientragödien und Konflikte: Die Last der Vergangenheit

In „Nochmal von vorne“ wird die Geschichte von Rosas Familie erzählt, die tief von den Schrecken des Holocaust und der Flucht aus Europa gezeichnet ist. Ihr Vater, Mordechai Jeruscher, spielt eine zentrale Rolle. Mordechai stammt aus einer jüdischen Familie, die den Holocaust überlebte und später aus Rumänien nach Israel floh. Sein Charakter ist geprägt von den Wunden und Traumata dieser Zeit, die er nie vollständig überwunden hat. Der lange und schmerzhafte Tod Mordechais steht symbolisch für das Leiden einer ganzen Generation von Überlebenden, die die Vergangenheit nie wirklich hinter sich lassen konnten.

Nach Mordechais Tod fühlt sich Rosa als Waise. Ihre Mutter ist verschollen, und ihre Schwester Nadja hat früh die Familie verlassen und ist unauffindbar. Rosa bleibt als introvertierte Beobachterin zurück, die sich einsam mit ihrer Vergangenheit und ihrer Familie auseinandersetzt. Diese familiären Konflikte, die auch im Vorgängerroman „Otto“ behandelt wurden, spiegeln deutlich die biografischen Bezüge zur Autorin wider.

„Otto“ und „Nochmal von vorne“: Fortsetzung einer Familiensaga

Dana von Suffrins Roman „Nochmal von vorne“ knüpft direkt an ihren Vorgängerroman „Otto“ an, der das Leben mit einem starrköpfigen jüdischen Patriarchen schildert. Beide Werke stehen in enger Verbindung und zeigen, wie sich familiäre Dynamiken über Generationen hinweg entwickeln. Der Bezug zur Biografie der Autorin verleiht der Geschichte zusätzliche Tiefe und Authentizität. In beiden Romanen sind die Themen Holocaust, Identität und das komplizierte Verhältnis zwischen den Generationen allgegenwärtig.

Rosas Vater Mordechai, der in „Otto“ bereits eine zentrale Figur war, ist auch in „Nochmal von vorne“ allgegenwärtig, selbst nach seinem Tod. Sein langer Kampf gegen das Alter und die Krankheit symbolisiert die Last der Vergangenheit, die sowohl auf ihm als auch auf Rosa und dem Rest der Familie schwer lastet.

Humor in der Tragödie: Schwarzer Humor und jüdischer Witz

Obwohl „Nochmal von vorne“ von tragischen und düsteren Themen durchzogen ist, gelingt es von Suffrin, die Geschichte in einem oft grotesk-komischen Ton zu erzählen. Die Erzählung ist durchzogen von schwarzem Humor und jüdischem Witz, was dem Leser ermöglicht, auch inmitten von Schmerz und Leid Momente der Leichtigkeit zu finden. Diese Mischung aus Tragik und Komik ist eines der herausragenden Merkmale des Romans und zeigt die Meisterschaft der Autorin, die große historische Tragik mit einer gewissen Leichtigkeit und Ironie zu erzählen.

Der schwarze Humor in „Nochmal von vorne“ ist jedoch nie respektlos oder oberflächlich. Vielmehr dient er als Mittel, um die schwerwiegenden Themen des Romans zu verarbeiten. Besonders beeindruckend ist, wie von Suffrin den Holocaust und seine Auswirkungen humoristisch kommentiert, ohne dabei die Ernsthaftigkeit des Themas zu untergraben. Diese Balance zwischen Humor und Tragik ist eine Kunstform, die Dana von Suffrin perfekt beherrscht.

Erzählstruktur und Stil: Zeit- und Ortssprünge

Ein weiteres herausragendes Merkmal von „Nochmal von vorne“ ist die komplexe Erzählstruktur, die durch ständige Zeit- und Ortswechsel geprägt ist. Der Roman springt zwischen verschiedenen Zeitebenen und Schauplätzen – von Rosas Kindheit in München über die Vergangenheit ihrer Familie im Holocaust bis hin zu ihren Aufenthalten in einem Altersheim in Tel Aviv. Diese Sprünge verstärken die Idee, dass Vergangenheit und Gegenwart untrennbar miteinander verbunden sind.

Durch diese Wechsel erhält der Roman eine besondere Dynamik, die den Leser immer wieder aufs Neue herausfordert, sich in den verschiedenen Zeitebenen zurechtzufinden. Dabei gelingt es der Autorin, die historischen Ereignisse nicht nur in die Erzählung zu verweben, sondern sie auch humoristisch zu kommentieren. Die historische Einbettung des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust gibt dem Roman zusätzlichen Tiefgang, während der leichte, oft ironische Erzählton dafür sorgt, dass die Geschichte nie zu erdrückend wirkt.

Eine mögliche Versöhnung: Hoffnung am Ende des Romans

Trotz der vielen gescheiterten Hoffnungen und gebrochenen Beziehungen, die die Handlung prägen, schimmert am Ende von „Nochmal von vorne“ eine Möglichkeit der Versöhnung auf. Nachdem Rosa lange Zeit mit ihrer Vergangenheit und ihrer Familie hadert, deutet sich in den letzten Kapiteln des Romans eine Annäherung an ihre Schwester Nadja an. Diese mögliche Versöhnung steht sinnbildlich für die Chance, das Erbe der Vergangenheit anzunehmen und einen echten Neuanfang zu wagen.

Auch wenn der Weg dorthin lang und schmerzhaft ist, lässt Dana von Suffrin ihren Roman nicht in völliger Hoffnungslosigkeit enden. Stattdessen zeigt sie, dass trotz der vielen Narben, die die Vergangenheit hinterlassen hat, ein neues Leben möglich ist.

Fazit: Ein vielschichtiger Roman voller Tiefe und Humor

„Nochmal von vorne“ von Dana von Suffrin ist ein Meisterwerk der zeitgenössischen Literatur. Die Autorin versteht es wie kaum eine andere, große historische und persönliche Themen in einer Erzählung zu verarbeiten, die sowohl berührend als auch humorvoll ist. Der Roman behandelt zentrale Fragen der Identität, der familiären Bindungen und des Umgangs mit traumatischen Vergangenheiten und bietet zugleich zahlreiche Momente des schwarzen Humors, die den Leser immer wieder überraschen.

Die komplexe Erzählstruktur, die vielschichtigen Figuren und der Wechsel zwischen Tragik und Komik machen „Nochmal von vorne“ zu einem herausragenden Werk, das zurecht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 steht. Dana von Suffrin beweist mit diesem Roman erneut, dass sie eine Meisterin der literarischen Täuschung und der humorvollen Auseinandersetzung mit historischen Tragödien ist.

Wer auf der Suche nach einem Roman ist, der sowohl zum Nachdenken anregt als auch Momente des Lächelns bietet, wird in „Nochmal von vorne“ fündig. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt und einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Die Autorin

Dana von Suffrin, geboren 1985 in München, hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz in der deutschsprachigen Literaturlandschaft erarbeitet.

Dana von Suffrin studierte in München, Neapel und Jerusalem – drei Städte, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch ihre Spuren in der Autorin hinterlassen haben. Besonders Jerusalem, das mit seiner tiefen historischen und religiösen Bedeutung einen starken Kontrast zum modernen München bildet, scheint von Suffrins literarischen Zugang zur Geschichte und Identität beeinflusst zu haben. Ihre akademische Laufbahn führte 2017 zu einer Promotion mit einer Arbeit über die Rolle von Wissenschaft und Ideologie im frühen Zionismus – ein Thema, das bereits in ihrem ersten Roman „Otto“ und auch in „Nochmal von vorne“ eine gewisse thematische Resonanz findet.


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