Ulla Lenze hat es mit ihrem neuesten Roman Das Wohlbefinden auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024 geschafft. Ein Werk, das sich nicht nur durch seine tiefgründige Handlung, sondern auch durch seine sprachliche Eleganz auszeichnet. Erschienen im August 2024 bei Klett-Cotta, greift der Roman historische und spirituelle Themen auf, die sich über Generationen hinweg entfalten. Lenzes stilistische Meisterschaft zeigt sich in ihrer Fähigkeit, die inneren Kämpfe der Protagonistinnen mit den Veränderungen der Zeit in Einklang zu bringen und dabei eine faszinierende, vielschichtige Erzählung zu weben.
Im Fokus: Drei Frauen, drei Schicksale
Drei Frauen stehen im Zentrum des Romans: Anna, Johanna und Vanessa. Jede von ihnen kämpft auf ihre Weise mit den Herausforderungen ihres Lebens, während ihre Geschichten eng miteinander verwoben sind. Anna, eine hellsichtige Fabrikarbeiterin, wird Anfang des 20. Jahrhunderts in den Heilstätten Beelitz als spirituelles Medium verehrt. Johanna, eine Schriftstellerin, begegnet ihr dort und wird nachhaltig von Annas spirituellen Ansichten beeinflusst. Schließlich entdeckt Johannas Urenkelin Vanessa im Jahr 2020 das Manuskript ihrer Urgroßmutter und beginnt, das mysteriöse Erbe ihrer Familie zu entschlüsseln. Diese drei Frauen, obwohl sie in verschiedenen Zeiten leben, sind durch ihre gemeinsame Suche nach Sinn und Selbsterkenntnis verbunden.
Ein mystischer Schauplatz: Die Heilstätten Beelitz
Die historischen Heilstätten Beelitz spielen in Das Wohlbefinden eine zentrale Rolle. Einst eine Anstalt für Lungenkranke, wird dieser Ort im Roman zum Schauplatz spiritueller und okkulter Zusammenkünfte. Hier entfaltet sich nicht nur Annas Schicksal, sondern auch Johannas Weg zur Selbstverwirklichung. Lenze verwebt den realen historischen Hintergrund des frühen 20. Jahrhunderts mit den esoterischen Strömungen dieser Zeit und schafft eine atmosphärisch dichte Erzählwelt.
Auf der Suche nach Wohlbefinden
Der Titel des Romans ist Programm: Jede der drei Frauen ist auf der Suche nach ihrem persönlichen Wohlbefinden – sei es durch spirituelle Erkenntnisse, literarische Erfolge oder familiäre Beziehungen. Doch der Weg dorthin ist voller Hindernisse. Lenze zeigt auf subtile Weise, wie äußere Umstände und innere Konflikte das Streben nach Selbstverwirklichung beeinflussen und oft auch behindern.
Sprachliche Raffinesse und zeitlose Themen
Eines der herausragenden Merkmale von Lenzes Roman ist ihre sprachliche Raffinesse. Die Erzählung bewegt sich mühelos zwischen verschiedenen Zeiten und Perspektiven, und jede Epoche wird auf eine Weise dargestellt, die den Leser vollkommen eintauchen lässt. Dabei bleibt die Handlung immer fesselnd, ohne an Tiefe zu verlieren. Die sorgfältig gesetzten Nuancen und die feine Ironie machen den Roman nicht nur zu einer faszinierenden Lektüre, sondern regen auch zum Nachdenken an.
Philosophische Tiefe in einer modernen Erzählung
Das Wohlbefinden ist mehr als nur eine Familiengeschichte. Der Roman wirft fundamentale Fragen auf, die den Leser über das eigene Leben nachdenken lassen: Was bedeutet es, erfüllt zu sein? Wie beeinflusst uns unsere Geschichte? Und welche Rolle spielt Spiritualität im modernen Leben? Lenze schafft es, diese tiefgründigen Fragen in eine spannende Erzählung einzubetten, die gleichzeitig historisch fundiert und hochaktuell ist.
Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2024
Die Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2024 ist eine verdiente Anerkennung für Lenzes Werk. Das Wohlbefindensticht in der zeitgenössischen Literaturszene heraus – durch seine komplexen Charaktere, seine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und seine tiefgehenden philosophischen Fragestellungen. Klett-Cotta, der Verlag, der für seine literarisch anspruchsvollen Veröffentlichungen bekannt ist, hat mit diesem Roman einmal mehr ein Werk von großer Relevanz vorgelegt.
Die Autorin:
Ulla Lenze, geboren 1973 in Mönchengladbach, ist eine renommierte deutsche Schriftstellerin, die für ihre vielschichtigen und empfindungsreichen Romane bekannt ist. Sie studierte Musik und Philosophie in Köln, was sich in der Tiefe und Reflexivität ihrer Werke widerspiegelt. Lenze hat für ihre literarische Arbeit zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ihr Debütroman brachte ihr 2003 den Jürgen-Ponto-Preis ein, und im Laufe ihrer Karriere folgten weitere Ehrungen wie der Rolf-Dieter-Brinkmann-Förderpreis und der Ernst-Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb.
Besonders bemerkenswert ist ihr Roman Der Empfänger (2020), der international Anerkennung fand und in elf Sprachen übersetzt wurde. Ihre Werke befassen sich oft mit historischen und zeitgenössischen Themen, durchzogen von komplexen Figuren und psychologischen Spannungen.
Lenze hat sich auch in der akademischen Welt einen Namen gemacht: 2023 hatte sie die angesehene Max-Kade-Gastprofessur am Dartmouth College in den USA inne. Sie lebt derzeit in Buckow, nahe Berlin, wo sie weiter an ihren literarischen Projekten arbeitet.