Mit „Vielleicht können wir glücklich sein“, erschienen beim DuMont Buchverlag, bringt Alexa Hennig von Lange ihre ergreifende Heimkehr-Trilogie zu einem eindrucksvollen Abschluss. Die Geschichte bewegt sich auf zwei Zeitebenen und lässt die Leser in das Leben von Isabell und ihrer Großmutter Klara eintauchen. Es ist der dritte Band der Reihe, und es wird empfohlen, die beiden Vorgänger zuerst zu lesen, um die volle Tiefe der Familiengeschichte zu verstehen.
„Vielleicht können wir glücklich sein“ – Der Abschluss der Heimkehr-Trilogie von Alexa Hennig von Lange
Inhalt des dritten Bandes
Nach dem Tod ihrer Großmutter entdeckt Isabell über 100 Kassetten, auf denen Klara ihre Erinnerungen festgehalten hat. Diese Aufnahmen führen Isabell zurück in die Kriegszeit, als Klara während des letzten Jahres des Zweiten Weltkriegs allein für ihre vier Kinder sorgen musste. Ihr Mann Gustav war an der Front, und Klara kämpfte ums tägliche Überleben. Sie erinnert sich immer wieder an Tolla, ein jüdisches Mädchen, das sie einst versuchte zu retten, indem sie es aus Deutschland wegschickte. Doch Klara musste schmerzlich erfahren, dass Tolla nicht nach England, sondern nach Theresienstadt deportiert wurde.
Durch diese Aufnahmen verändert sich Isabells Bild von ihrer Großmutter grundlegend. Klara, die oft als streng und distanziert wahrgenommen wurde, offenbart durch ihre Geschichte eine tiefere emotionale Dimension. Isabell spürt, dass sie dieses neue Bild auch ihrer Familie vermitteln möchte, und hält die Trauerrede bei Klaras Beerdigung. Dabei stellt sie sich selbst Fragen über ihr eigenes Leben, ihr Glück und die Bedeutung von Verantwortung und Schuld – Themen, die nicht nur ihre Großmutter, sondern auch sie selbst betreffen.
Historischer Kontext und die Rolle der Frau
Im Zentrum dieses Romans stehen die Erfahrungen der Frauen während des Zweiten Weltkriegs. Klara ist stellvertretend für die vielen Frauen, die im Angesicht des Krieges allein zurückgelassen wurden, um sich um die Familie zu kümmern und in einer immer bedrohlicher werdenden Welt zu überleben. Der historische Kontext – das Leben im Dritten Reich und die Herausforderungen der Nachkriegszeit – spiegelt sich eindrucksvoll in Klaras Geschichte wider. Besonders berührend ist der innere Konflikt, den sie erlebt, als sie Tolla wegschickt und dabei glaubt, sie in Sicherheit zu bringen. Die Schuld und Ungewissheit, die sie ihr Leben lang begleiten, sind zentral für die emotionale Tiefe der Geschichte.
Durch die Figur der Isabell wird dieser historische Bogen in die Gegenwart gezogen. Der Vergleich zwischen den Generationen und Isabells Reflexionen über ihre eigene Lebenssituation schaffen eine interessante Parallele, die zeigt, wie sehr die Vergangenheit die Gegenwart prägt.
Die ersten beiden Bände der Trilogie
Die Trilogie begann mit dem Roman „Die karierten Mädchen“. Hier wird Klara als junge Frau in den 1930er Jahren vorgestellt. Sie ist überglücklich, als sie eine Stelle als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim erhält. Doch als das Dritte Reich immer mächtiger wird und der Druck auf das Heim wächst, gerät Klara in eine moralische Zwickmühle. Sie versucht, das Heim und die ihr anvertrauten Kinder zu schützen, indem sie sich mit den neuen Machthabern arrangiert – ein gefährliches Spiel, das ihr bald klar wird, als sie sich plötzlich selbst in Gefahr befindet. Das jüdische Mädchen Tolla, das sie wie eine eigene Tochter ansieht, spielt hier bereits eine zentrale Rolle.
Der zweite Band, „Zwischen den Sommern“, setzt Klaras Geschichte fort und verlagert den Fokus auf die Kriegsjahre. Isabell, Klaras Enkelin, entdeckt die Tonbandaufnahmen und erfährt, dass ihre Großmutter während des Krieges ein linientreues Frauenbildungsheim leitete. Klaras Leben wird durch den Krieg und die ständige Angst um ihre Kinder und ihren Mann Gustav überschattet. Der Versuch, Tolla zu retten, wird immer wieder thematisiert, und Klara hadert mit ihrer Vergangenheit. Isabell beginnt, ihre Großmutter mit ganz neuen Augen zu sehen und stellt sich selbst Fragen über Moral, Schuld und Verantwortung.
Kritik
Der dritte Band bietet viel emotionalen Tiefgang, insbesondere durch die stärkere Konzentration auf Isabell und die Verbindung der beiden Generationen. Der moderne und flüssige Schreibstil von Alexa Hennig von Lange zieht die Leser mühelos in die Geschichte hinein. Dennoch gibt es auch Kritik: Das Ende wirkt auf manche Leser abrupt. Vor allem die Heimkehr von Gustav und der Neuanfang nach dem Krieg werden nur kurz behandelt, was bei einer so langen und intensiv erzählten Familiengeschichte etwas enttäuschend wirkt. Hier hätte man sich mehr Details und einen ruhigeren Abschluss gewünscht.
Trotz dieser kleinen Schwächen ist der Roman ein gelungener Abschluss der Trilogie. Er regt zum Nachdenken an und hält die Erinnerungen an die Kriegsjahre und die immense Leistung der Frauen in dieser Zeit wach. Das Buch ist nicht nur ein Porträt der Generation von Klara, sondern auch eine Reflexion über die Verantwortung, die wir gegenüber den Geschichten unserer Vorfahren haben.
Vorstellung der Autorin
Alexa Hennig von Lange, geboren 1973, zählt zu den bedeutendsten deutschen Autorinnen ihrer Generation. Sie wurde mit ihrem Debütroman „Relax“ (1997) bekannt und hat seitdem mehr als 25 Romane veröffentlicht. Bei DuMonterschienen unter anderem die Romane „Risiko“ (2007), „Kampfsterne“ (2018) und „Die Wahnsinnige“ (2020). Ihre Werke beschäftigen sich oft mit Familienbeziehungen, gesellschaftlichen Konflikten und Fragen der Identität. Hennig von Lange lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Berlin und verarbeitet in der Heimkehr-Trilogie auch die Lebenserinnerungen ihrer eigenen Großmutter, die die Inspiration für die Geschichte lieferte.
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