Welche Bücher sollen bleiben? Mein Bücherregal entrümpeln – Eine literarische Reise durch 100 Jahre Deutschland

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Ein Bücherregal ist mehr als nur ein Ort, an dem Bücher aufbewahrt werden. Es ist eine Sammlung von Erinnerungen, intellektuellen Herausforderungen und treuen Begleitern, die mich durch verschiedene Lebensphasen begleitet haben. Als ich kürzlich beschloss, mein Bücherregal zu entrümpeln, stand ich vor der Frage: Welche Bücher sollen bleiben, und von welchen muss ich mich trennen? Um Ordnung in das Chaos zu bringen, entschied ich mich, alle Bücher, die nach 1920 erschienen sind, nach einem klaren Kriterium zu sortieren: erschienen vor der deutschen Teilung und danach in DDR oder BRD. Außerdem wollte ich herausfinden, welche Bücher ich wirklich großartig finde und warum und dabei insbesondere meine Lieblingsautoren betrachten. Schließlich interessierte mich, wie sich die literarische Landschaft nach 1990 verändert hat.

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Für diese erste Sortieraktion habe ich mich auf deutsche Autoren konzentriert. Die vielen internationalen Werke in meinem Regal müssen noch auf ihre eigene Weise geordnet werden – dafür fehlt mir momentan noch die Idee. Auch Märchenbücher und Werke vor 1900 habe ich ausgeklammert, da sie einen eigenen, unantastbaren Platz in meiner Sammlung haben.

Gemeinsame Wurzeln

1920er Jahre: Thomas Mann – "Der Zauberberg" (1924)
Mein Bücherregal enthält einige Klassiker, die ich mehrmals verschlungen habe. Thomas Manns "Der Zauberberg" ist für mich ein Werk von epochaler Bedeutung. Manns Erzählkunst und sein tiefgründiger philosophischer Ansatz haben dieses Buch zu einem meiner Favoriten gemacht. Es bleibt in meinem Regal, weil es eine literarische Auseinandersetzung mit den geistigen und gesellschaftlichen Strömungen des frühen 20. Jahrhunderts bietet, die bis heute relevant sind.

1930er Jahre: Hans Fallada – "Kleiner Mann – was nun?" (1932)
In den 1930er Jahren sticht Hans Fallada als einer der bedeutendsten Autoren hervor. Mein absoluter Favorit- ein Ausnahmeschriftsteller. Sein Roman "Kleiner Mann – was nun?" ist ein eindrucksvolles Porträt der Weimarer Republik und der wirtschaftlichen sowie sozialen Schwierigkeiten der kleinen Leute in dieser Zeit. Dieser Fallada bleibt in meinem Regal, weil es eine ergreifende Geschichte über das Überleben in schwierigen Zeiten erzählt und dabei die menschliche Würde betont.

1940er Jahre: Hans Fallada – "Jeder stirbt für sich allein" (1947)
Auch in den 1940er Jahren bleibt Hans Fallada ein unverzichtbarer Teil meiner Sammlung. Sein Roman "Jeder stirbt für sich allein" ist eines der ersten großen Werke, das den Widerstand gegen das NS-Regime thematisiert. Falladas Schilderung des stillen Widerstands eines Berliner Ehepaares gegen die Nazis ist ein bewegendes Zeugnis menschlicher Courage. Dieses Buch bleibt, weil es eine kraftvolle Erinnerung daran ist, dass selbst in den dunkelsten Zeiten die Möglichkeit des Widerstands besteht.

Literatur in der BRD ab 1950 - Vielfalt und Experimentierfreude

1950er Jahre: Heinrich Böll – "Haus ohne Hüter" (1954)
Ein weiteres bedeutendes Werk in meiner Sammlung ist Heinrich Bölls "Haus ohne Hüter". Bölls Fähigkeit, die moralischen und gesellschaftlichen Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs auf so eindringliche Weise darzustellen, macht dieses Buch zu einem wichtigen Bestandteil meines Regals. Seine Erzählungen über die deutsche Nachkriegsgesellschaft haben mich immer wieder beeindruckt und zum Nachdenken angeregt.

1960er Jahre: Günter Grass – "Die Blechtrommel" (1959)
Obwohl "Die Blechtrommel" bereits 1959 erschien, entfaltete das Buch seinen vollen Einfluss in den 1960er Jahren. Günter Grass’ Meisterwerk, das die Schrecken des Nationalsozialismus und des Krieges durch die Augen eines Kindes darstellt, ist ein unverzichtbarer Teil meiner Sammlung. Es bleibt, weil es nicht nur ein literarisches Meisterwerk ist, sondern auch ein tiefes moralisches und historisches Bewusstsein vermittelt. Und er beherrscht das menschliche Jonglieren mit der deutschen Sprache.

1970er Jahre: Peter Handke – "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970)
Peter Handkes experimentelle Erzählweise hat mich in den 1970er Jahren besonders fasziniert. "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" ist ein Buch, das durch seine introspektive Erzählweise und seine Analyse der menschlichen Wahrnehmung besticht. Es bleibt in meinem Regal, weil es eine einzigartige Perspektive auf die Komplexität des menschlichen Daseins bietet.

1980er Jahre: Patrick Süskind – "Das Parfum" (1985)
Ein weiteres herausragendes Werk in meiner Sammlung ist Patrick Süskinds "Das Parfum". Dieses Buch bleibt, weil es durch seine meisterhafte Schilderung von Obsession und Macht besticht und zugleich eine faszinierende historische Erzählung bietet.

1990er Jahre: W.G. Sebald – "Die Ringe des Saturn" (1995)
Nach 1990 änderte sich die literarische Landschaft, und W.G. Sebalds "Die Ringe des Saturn" ist ein Werk, das in dieser neuen Ära herausragt. Sebalds einzigartige Mischung aus Geschichte, Erinnerung und Fiktion hat mich tief beeindruckt. Dieses Buch bleibt, weil es ein literarisches Meisterwerk ist, das immer wieder neue Perspektiven auf die menschliche Erfahrung eröffnet.

Literatur in der DDR ab 1950 -Tiefgang und Gesellschaftskritik

1950er Jahre: Anna Seghers – "Die Toten bleiben jung" (1949)
In den 1950er Jahren bleibt Anna Seghers eine herausragende Figur der DDR-Literatur. Ihr Roman "Die Toten bleiben jung" schildert das Leben einer deutschen Familie von der Novemberrevolution 1918 bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Buch bleibt in meinem Regal, weil es den politischen und sozialen Wandel in Deutschland mit großer Tiefe und literarischer Meisterschaft beschreibt. Seghers’ Fähigkeit, die komplexen Wechselwirkungen zwischen individuellen Schicksalen und historischen Ereignissen darzustellen, macht dieses Werk zu einem wichtigen Teil meiner Sammlung. Seghers ist die literarische Stimme einer kraftvollen Frau, die mit Blick in die Seele ohne Schnörkel geschrieben hat.

1960er Jahre: Christa Wolf – "Der geteilte Himmel" (1963)
Christa Wolf ist eine meiner Lieblingsautorinnen, und "Der geteilte Himmel" ist eines ihrer bedeutendsten Werke. Dieses Buch bleibt, weil es eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den individuellen und gesellschaftlichen Konflikten in der DDR bietet und dabei eine kraftvolle literarische Stimme für die Nachkriegsgeneration ist.

1970er Jahre: Jurij Brězan: – "Christa" (1964)

Jurij Brězans "Christa" gehört zu den Büchern, die ich nicht missen möchte. Die Geschichte eines jungen Mädchens, das in der DDR heranwächst und mit den Herausforderungen des Erwachsenwerdens konfrontiert wird, bleibt mir wichtig, weil sie die inneren und äußeren Kämpfe eines Lebens in der DDR eindrucksvoll schildert.

1980er Jahre: Stefan Heym – "Ahasver" (1981)
Stefan Heyms "Ahasver" ist ein weiterer Meilenstein der DDR-Literatur, der in meinem Regal verbleibt. Dieses Buch, das sich mit der jüdischen Identität und den ewigen Fragen der Menschheit auseinandersetzt, bleibt, weil es in seiner thematischen Tiefe und moralischen Komplexität unübertroffen ist.

Literatur nach 1990 - Neue Perspektiven und Herausforderungen

Christa Wolf – "Was bleibt" (1990)
Mit der Wende änderte sich auch die DDR-Literatur. Christa Wolfs "Was bleibt" ist ein Werk, das diese Veränderungen aufgreift und dabei die innere Zerrissenheit der Autoren in der DDR spiegelt. Dieses Buch bleibt, weil es ein Zeugnis einer entscheidenden Zeit im Leben der DDR-Autoren ist.

Günter Grass – "Ein weites Feld" (1995)
Günter Grass, einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, setzte sich auch nach 1990 intensiv mit der deutschen Geschichte auseinander. In seinem Roman "Ein weites Feld" (1995) beleuchtet er die Ereignisse der deutschen Wiedervereinigung und verknüpft sie mit der Geschichte des 19. Jahrhunderts. Der Protagonist, ein alter Mann, der glaubt, eine Reinkarnation von Theodor Fontane zu sein, durchwandert die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche nach der Wende. Grass’ kritische Auseinandersetzung mit der Wiedervereinigung und seine komplexe Erzählweise machen dieses Buch zu einem unverzichtbaren Teil meiner Sammlung. Es bleibt, weil es die turbulente Zeit der Wiedervereinigung in einem breiten historischen Kontext reflektiert und literarisch meisterhaft verarbeitet.

Stefan Heym – "Pargfrider" (1998)

Stefan Heyms Roman "Pargfrider" (1998) erzählt die Geschichte des jüdischen Bankiers und Unternehmers Simon Pargfrider, der im 19. Jahrhundert in Österreich lebte. Pargfrider, ein schillernder Außenseiter, bewegt sich geschickt zwischen den politischen Fronten des Kaiserreichs und den Revolutionären von 1848. Als erfolgreicher Geschäftsmann und kaiserlicher Lieferant gelingt es ihm, sich in der gesellschaftlichen Elite zu etablieren, obwohl er immer wieder mit Vorurteilen und Intrigen konfrontiert wird. Der Roman thematisiert Macht, Moral und die Rolle des Individuums in turbulenten Zeiten und zieht Parallelen zur Gegenwart, insbesondere im Hinblick auf die politischen und sozialen Umbrüche, die Heym selbst erlebt hat. Deshalb bleibt"Pargfrider" in in meinem Regal.

Erich Loest – "Nikolaikirche" (1995)

Erich Loest, ein wichtiger Chronist der DDR-Geschichte, hat sich mit dem Roman "Nikolaikirche" einen festen Platz in meiner Sammlung gesichert. Das Buch thematisiert die friedliche Revolution in Leipzig im Herbst 1989 und die Rolle der Nikolaikirche als zentraler Ort des Widerstands gegen das SED-Regime. Loests Erzählweise ist präzise und einfühlsam, und das Buch bleibt, weil es ein eindrucksvolles Zeugnis der Wendezeit ist und die Bedeutung des zivilen Ungehorsams für den demokratischen Wandel aufzeigt.

Clemens Meyer – "Als wir träumten" (2006)
Clemens Meyer gehört zu den markantesten Stimmen der deutschen Literatur nach der Wende. Sein Debütroman "Als wir träumten" beschreibt das Leben einer Gruppe von Jugendlichen in Leipzig nach dem Mauerfall, die sich in einer Welt ohne Orientierung wiederfinden. Meyers Erzählung ist roh, kraftvoll und voller Poesie, und sie fängt die Desillusionierung und die Suche nach einem neuen Lebenssinn in den 1990er Jahren ein. Dieses Buch bleibt in meinem Regal, weil es die Erfahrungen einer Generation auf einzigartige Weise wiedergibt und gleichzeitig die Härte und den Zauber dieser Übergangszeit spürbar macht.

Christoph Hein – "Landnahme" (2004)
Christoph Hein, ein bedeutender Autor der DDR, setzte sich auch nach 1990 kritisch mit der deutschen Geschichte auseinander. In "Landnahme" erzählt er die Geschichte eines Mannes, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schlesien vertrieben wird und in der DDR eine neue Existenz aufbaut. Hein beleuchtet die gesellschaftlichen Umwälzungen und die Konflikte, die mit den Veränderungen nach dem Krieg einhergingen. Dieses Buch bleibt, weil es ein tiefes Verständnis für die historischen und sozialen Prozesse vermittelt, die die deutsche Nachkriegsgeschichte prägten.

Jenny Erpenbeck – "Heimsuchung" (2008)
Jenny Erpenbecks "Heimsuchung" erzählt die Geschichte eines Hauses und seiner Bewohner über mehrere Jahrzehnte hinweg, wobei sie die großen historischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts auf sehr persönliche Weise erfahrbar macht. Ihre poetische und gleichzeitig präzise Sprache, die ein tiefes Verständnis für die menschliche Erfahrung zeigt, macht dieses Buch zu einem wesentlichen Bestandteil meiner Sammlung. Es bleibt, weil es auf eindringliche Weise die Verbindungen zwischen Ort, Erinnerung und Identität erforscht.

Julia Franck – "Die Mittagsfrau" (2007)
Julia Francks Roman "Die Mittagsfrau" wurde mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet und erzählt die Geschichte einer Frau, die nach den beiden Weltkriegen ihr Kind verlässt. Der Roman setzt sich intensiv mit den Themen Trauma, Identität und den Auswirkungen der Geschichte auf das individuelle Leben auseinander. "Die Mittagsfrau" bleibt in meinem Regal, weil es ein kraftvolles Porträt einer Frau in extremen Zeiten bietet und die schwierigen moralischen Entscheidungen, die durch den Krieg erzwungen wurden, auf bewegende Weise darstellt.

Herta Müller – "Atemschaukel" (2009)
Herta Müllers "Atemschaukel" ist ein weiterer Meilenstein der Literatur nach 1990. Müller, die 2009 den Nobelpreis für Literatur erhielt, verarbeitet in diesem Buch die Erfahrungen eines Deportierten in einem sowjetischen Arbeitslager. Mit ihrer präzisen und poetischen Sprache bringt sie die Qualen und das Überleben unter unmenschlichen Bedingungen auf eine einzigartige Weise zum Ausdruck. Dieses Buch bleibt, weil es die Erinnerung an die Schrecken des 20. Jahrhunderts wachhält und gleichzeitig die Kraft der menschlichen Widerstandsfähigkeit feiert.

Und die Kinder- und Jugendliteratur?

Während meiner Sortierung habe ich auch die Kinder- und Jugendliteratur in meinem Regal genau unter die Lupe genommen. Diese Bücher sind nicht nur literarische Werke, sondern auch treue Begleiter meiner eigenen Kindheit und Jugend.

Werke wie "Der kleine Angsthase" von Elizabeth Shaw, "Alfons Zitterbacke" von Gerhard Holtz-Baumert, "So ein Struwwelpeter" von Hansgeorg Stengel, "Die Abenteuer des Werner Holt" von Dieter Noll,"Mohr und die Raben von London" von Vilmos + Ilse Korn sind wahre Schätze der DDR-Kinderliteratur. Sie bleiben in meinem Regal, weil sie durch ihre einfühlsame und oft humorvolle Art nicht nur unterhalten, sondern auch wichtige Lektionen über Mut und Selbstvertrauen vermitteln.

In der BRD waren Autoren wie Otfried Preußler und Michael Ende herausragend. "Der kleine Wassermann" und "Momo" sind Werke, die ich nicht missen möchte, weil sie durch ihre fantasievollen Erzählungen und ihre tiefgründigen Botschaften sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen.

Die Entrümpelung meines Bücherregals war eine Reise durch die literarische Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Die Werke, die in meinem Regal verbleiben, sind diejenigen, die durch ihre literarische Qualität, ihre thematische Tiefe und ihre emotionale Resonanz herausragen. Die Bücher, die ich behalten habe, sind nicht nur Zeugnisse ihrer Epoche, sondern auch meine Begleiter, die mich durch verschiedene Phasen meines Lebens geführt haben und dies auch weiterhin tun werden.

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