Dirk Oschmann kritisiert die unkritische Verehrung des Grundgesetzes anlässlich seines 75-jährigen Jubiläums. Er argumentiert, dass das Grundgesetz ursprünglich als Provisorium gedacht war und daher nicht unantastbar sein sollte.
Am 23. Mai wird das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes gefeiert, und in Berlin sowie Brandenburg sind diverse Veranstaltungen geplant.
In Berlin finden unter anderem ein ökumenischer Gottesdienst, ein Staatsakt mit einer Rede des Bundespräsidenten, ein mehrtägiges Demokratiefest und eine parlamentarische Diskussion zur deutschen Verfassung statt.
In Brandenburg wird der Jahrestag des Grundgesetzes in mehreren Städten mit Feiern, Diskussionen, Demonstrationen und einem Festakt mit dem Ministerpräsidenten begangen.
Das Grundgesetz und Oschmanns Kritik
Das Grundgesetz (GG) ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es als Provisorium geschaffen, um die politische Ordnung in Westdeutschland zu stabilisieren. Es legt die Grundlagen des deutschen Rechtsstaats fest, einschließlich der Gewaltenteilung, der Grundrechte und der föderalen Struktur des Staates. Artikel 1 bis 19 des Grundgesetzes enthalten die Grundrechte, die die Würde des Menschen, die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit und viele weitere fundamentale Rechte schützen.
Im Laufe der Jahre hat sich das Grundgesetz als flexibel erwiesen und wurde mehrfach geändert, um auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu reagieren. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 blieb das Grundgesetz die gültige Verfassung des vereinten Deutschlands. Es gilt als eine der stabilsten und am meisten respektierten Verfassungen weltweit und bildet die Basis für die Demokratie und den Rechtsstaat in Deutschland.
Dirk Oschmann kritisiert in einem Artikel von "der Freitag" die unkritische und beinahe heilige Verehrung des Grundgesetzes anlässlich seines 75-jährigen Jubiläums. Er argumentiert, dass das Grundgesetz ursprünglich als Provisorium gedacht war und daher nicht unantastbar sein sollte. Oschmann betont, dass Gesetze Menschenwerk sind und sich an veränderte Realitäten anpassen müssen, wie es auch beim Grundgesetz mehrfach geschehen ist.
Oschmann hebt hervor, dass die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 eine einmalige Gelegenheit bot, das Grundgesetz grundlegend zu überarbeiten und an die neuen Realitäten anzupassen. Dies sei jedoch versäumt worden, weil die westdeutschen Verantwortlichen keine Veranlassung sahen, eine neue Verfassung zu schaffen, obwohl dies in Artikel 146 des Grundgesetzes vorgesehen war. Stattdessen wurde die Wiedervereinigung durch den Einigungsvertrag geregelt, ohne eine breite gesellschaftliche Diskussion und Zustimmung.
Der Autor kritisiert insbesondere die Westdeutschen, die seiner Meinung nach den Osten von der Mitgestaltung der gemeinsamen Demokratie ausgeschlossen haben. Dies zeige sich bis heute in der Unterrepräsentation von Ostdeutschen in Führungspositionen und der höheren Demokratieskepsis im Osten. Oschmann verweist auf die Warnungen von Jürgen Habermas, der bereits in den 1990er Jahren auf die Notwendigkeit einer neuen Verfassung hingewiesen hatte, um langfristige Probleme zu vermeiden. Die Weigerung, eine solche Verfassung zu schaffen, sieht Oschmann als grundlegenden Fehler, der die Demokratie auf lange Sicht gefährdet.
Insgesamt plädiert Oschmann für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Erfahrungen der Ostdeutschen, um die Demokratie in Deutschland zu stärken und eine gerechte Mitgestaltung aller Bürger zu gewährleisten.