Es bewegte ihn, diese als neoromantisch deklarierten Gedanken und Bilder in sein Bewusstsein aufzunehmen, die in dem Roman geschildert wurden. Sanfte, liebevolle und zarte Liebesbeweise, die die Hauptfigur da seiner Angebeteten darbrachte.
Das brachte ihn ins Träumen und er hing ihnen neugierig-gespannt nach. Er dachte: Frauen sind sowieso von Natur aus magische Geschöpfe, abgrundtief traurigerweise wurden sie seit Äonen von Männern klein gemacht und unterdrückt, Männern mit Minderwertigkeitskomplexen und Furcht vor starken femininen Wesen.
We are the granddaughters of the witches you couldn`t burn, hatte er mal irgendwo gelesen, eine junge Frau hielt diesen Satz auf einem Plakat hoch in die bedeutungsschwangere Luft. Das Wort Hexe hatte für ihn keinen negativen Klang, er sah das Bild einer kräuterkundigen Frau vor sich, die berauscht, wahrscheinlich durch Cannabiskonsum, in ihrer Hütte anfing zu „fliegen“, heimlich beobachtet von einem indiskreten Mann, der durch ein Fenster spannte, um sie dann als Hexe anzuprangern, die verbrannt gehörte.
Man muss sich das mal vorstellen, dachte er bei sich, diese starken, wilden, selbstbewussten, lebenslustigen Frauen machten den rein körperlich überlegenen Männern Angst, sie fühlten sich unterlegen, und das zu Recht, denn sie sind es, Gott ist eine Frau.
Tief untergetaucht in ihren Komplexen reagierten die ängstlichen Phallokraten mit Gewalt und Mord, und das über Jahrhunderte. Allein eine Denunziation reichte, um verhört, gefoltert und schließlich hingerichtet zu werden, verbrannt, eine der schlimmsten Arten zu sterben.
Es wurde auch die absolut widersinnige perverse Hexenprobe durchgeführt, bei der die Angeklagte gefesselt in einen Fluss geworfen wurde, ertrank sie, war sie unschuldig, überlebte sie, konnte sie ja nur eine Hexe sein und wurde verbrannt. Abartig.
Als Gott den Mann schuf, hat SIE nur geübt.
Man(n) hat Angst vor etwas, das er nicht verstehen und nachfühlen kann, Frauen haben die Fähigkeit zu gebären, Leben zu schenken, dieses Gefühl, das soviel Glück und Freude bereitet, obwohl es ja mit riesigen Schmerzen verbunden ist. Engstirnig und verbohrt, wie das „starke“ Geschlecht sich dem gegenüber immer noch viel zu häufig verhält, ist es eine Tradition, Frauen zu misshandeln und zu unterdrücken. Vor gut 70 Jahren war Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe nicht einmal eine Straftat. Das Klischee der kleinen, an Küche und Haus gefesselten Sklavin ist immer noch nicht verschwunden, so wurde mir schon oft erzählt, dass Frauen generell scheinheilig, falsch und berechnend seien, minderwertig und zu nicht mehr fähig als sich um Heim und Kinder zu kümmern.
Bei Vergewaltigungen wurde vor nicht all zu langer Zeit noch häufig die Frage gestellt: „Was haben Sie denn an dem fraglichen Tag für Kleidung getragen?“ Soll bedeuten: Wenn das Opfer z.B. einen kurzen Rock trug, war es doch selbst schuld. Die will das doch nicht anders.
Untypisch für einen Mann, dachte er, solche Gedanken zu haben, aber absolut wahr. Liebe weibliche Wesen, sprengt die Ketten, erhebt Euch und übernehmt die Weltherrschaft, dann gibt es auch keine Kriege mehr, davon war er überzeugt.