In der kommenden Ausgabe "ttt - titel, thesen, temperamente" (20. August) geht es unter anderem um den Roman "Zwei Sekunden brennende Luft" der französischen Autorin Diaty Diallo. Außerdem wird über Tobias Rüthers Biografie des Schriftstellers Wolfgang Herrndorf gesprochen.
Diaty Diallos Roman "Zwei Sekunden brennende Luft" bei "ttt - titel, thesen, temperamente"
In ihrem Roman "Zwei Sekunden brennende Luft" schreibt die französische Schriftstellerin über eine Gruppe Jugendlicher mit arabischem und afrikanischem Hintergrund, die in einem Vorort von Paris aufwachsen. Über einem Parkhaus haben sie einen Platz gefunden, den sie "Pyramide" nennen, und an dem sie feiern, trinken, rauchen und Musik hören können.
Doch sie bleiben nicht unbeobachtet. Immer wieder wird die Gruppe von der Polizei schikaniert, misstrauisch beäugt und kontrolliert. "Das sind tägliche Demütigungen, dieses Überprüfen von Identität", sagt die Autorin Diaty Diallo, die in der kommenden Ausgabe "ttt - titel, thesen, temperamente" über ihren Roman sprechen wird . "Die Jugendlichen merken ja selbst, dass sie bisweilen mehrmals am Tag von denselben Beamten kontrolliert werden. Man kennt sich. Es ist super demütigend, überprüft zu werden. Allein die Idee, Identitäten zu überprüfen, ist ein hyperschräges Konzept."
Diallo, die ihre Kindheit und Jugend selbst in der Banlieue von Paris verbracht hat, zeigt in ihrem Buch die mit diesen erniedrigenden Kontrollen zusammenfallende Frustration, den sich stauenden Hass, der sich katastrophal entlädt. Es beginnt dort, wo sich einer der jugendlichen Protagonisten, Issa, mit der Polizei anlegt und von den Beamten brutal zusammengeschlagen wird. Als ein weiterer Junge während einer nächsten Auseinandersetzung von der Polizei erschossen wird, kommt es zur Eskalation. Die Freunde planen einen Aufstand und zünden die "Pyramide" an.
Als würde man eine Vorhersage lesen
"Ich wollte diese Realität abbilden, zeigen, wie solche regelmäßigen Eingriffe der Ordnungskräfte eine Art Harmonie der Jugend stören können. Wie sehr sie es erschweren, erwachsen zu werden, wie man kaum Selbstachtung oder Vorstellungen von der Zukunft entwickeln kann, wenn man dauernd daran gehindert wird, mit seinen Leuten zusammen zu sein.", sagt Diallo. In Frankreich erschien ihr Roman bereits 2022, ein Dreiviertel Jahr vor den Unruhen, die in den letzten Wochen in Frankreich tobten. Grund war der Tod des 17-jährigen Nahel, der während einer Polizeikontrolle getötet wurde. Aus heutiger Sicht lässt sich Diallos Roman wie eine Vorhersage der Proteste lesen.
"Wir erleben in Frankreich in bestimmten Stadtvierteln seit rund 45 Jahren Polizeigewalt. Doch was jetzt passiert seit dem Tod des jungen Nahel, ist so schlimm, das ist noch nie dagewesen. Es gibt eine Spendensammlung, um einen Mörder zu schützen, von dem wir ausnahmsweise einmal Bilder haben. Wir sehen live eine Hinrichtung und die Franzosen spenden dafür 1,6 Millionen.", sagt die Autorin.
Tobias Rüthers Biografie des Schriftstellers Wolfgang Herrndorf
Der Schriftsteller Wolfgang Herrendorf gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Generation. Mit seinem Roman "Tschick" bewegte er weltweit Millionen Menschen. In seinem Blog "Arbeit und Struktur" schrieb er - seit seiner Tumordiagnose - jahrelang in sehr persönlicher Weise über seinen Alltag. Am 26. August nahm sich Wolfgang Herrendorf das Leben. Zu seinem 10. Todestag hat der Journalist Tobias Rüther nun eine Biografie vorgelegt, in der er einen hochbetagten und überaus sensiblen Menschen zeigt, der sein Leben bis zum Schluss selbst bestimmte.
"Ich kenne keinen anderen Schriftsteller, der es geschafft hätte, in der kurzen Zeit, die ihm zur Verfügung stand, so ein Formatreichtum zu schreiben. Ich kenne keinen anderen Schriftsteller, der so lustig ist und gleichzeitig so einen emotionalen und intellektuellen Gang in diese Prosa hineinbringt wie Herrndorf. Aber dieses Werk strahlt auch einen wahnsinnigen Optimismus aus."
Außerdem bei "ttt - titel, thesen, temperamente"
- Film über Schriftsteller im Nationalsozialismus - Als die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 an die Macht kamen, verließen fast alle bedeutenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller das Land und gingen ins Exil. Einige blieben, darunter Gottfried Benn, Klaus Mann, Erich Kästner, Hans Fallada, Jochen Klepper, Ina Seidel, Hanns Johst und Will Vesper. Über sie hat Anatol Regnier das Buch "Jeder schreibt für sich allein" geschrieben. Der Regisseur Dominik Graf hat es für seine gleichnamige Filmdokumentation adaptiert. Sie kommt am 24. August in die Kinos. ttt hat mit Dominik Graf und Anatol Regnier gesprochen.
- Ist unsere Demokratie in Gefahr? - Was ist los in Deutschland? Inflation, Klimakrise, Ukraine-Krieg, Rezession und immer noch die Nachwirkungen von Corona – die Gesellschaft ist geprägt von Unsicherheit. Gleichzeitig erlebt die AfD einen Höhenflug, eine Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Bei Wahlumfragen kam sie Anfang August bundesweit auf 21 Prozent, in den ostdeutschen Ländern auf um die 30 Prozent. Aber auch in Baden-Württemberg, in Hessen und im Saarland können sich mehr als 20 Prozent vorstellen, die AfD zu wählen. ttt hat den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum und die Zeithistorikerin Hedwig Richter nach ihrer Einschätzung gefragt.