Der Start des nach Karl May gedrehten Films "Der junge Häuptling Winnetou" hatte im vergangenen Jahr eine hitzige Debatte ausgelöst. Im Zentrum stand dabei der Vorwurf einer klischeehaften Darstellung fremder Kulturen. Bereits damals hatte sich er Karl-May-Experte und Hochschulprofessor Andreas Brenne zu Wort gemeldet und für einen differenzierteren Blick plädiert. Gerade hat er in Potsdam die Tagung "Kulturelle Repräsentationen im Werk Karl Mays" ausgerichtet.
Karl-May-Experte Andreas Brenne: "Die Welt ist eben zum Teil auch schrecklich und verstörend"
Im vergangenen Jahr entflammte eine heftige Diskussion um die Frage, inwieweit die Geschichten und Motive des Schriftstellers Karl May auf einem rassistischen und kolonialistischen Fundament fußten. Angeheizt wurde die Debatte von der Entscheidung des Ravensburger-Verlags, der nach dem Filmstart von "Der junge Häuptling Winnetou" zwei Karl-May-Bücher zurückzog. Bereits damals hielt der Karl-May-Experte Andreas Brenne den Rückzug für falsch und meinte, hier habe wohl die Angst diktiert. Jetzt meldete sich Brenne ein weiteres Mal zu Wort, und verteidigte die Abenteuerromane um Winnetou und Old Shatterhand ein weiteres Mal gegen Kritik: "Wir müssen die Werke Karl Mays aus heutiger Sicht neu lesen. Es reicht nicht aus, diese Texte auf kolonialistische und rassistische Inhalte zu reduzieren. Das sind sie zu Teilen sicherlich, aber man findet auch das Gegenteil", so Brenne in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Karl May stand trotz eines inhärenten kolonialen Habitus auf der Seite der Unterdrückten. Ein Rassist ist er für mich nicht, auch wenn er mit Klischees arbeitet"
Kinder- und Jugendbücher nicht vorschnell von Konfliktdarstellungen frei halten
Der Professor für Kunstpädagogik fordert darüber hinaus, Kinder- und Jugendliteratur nicht vorschnell von sämtlichen Konfliktdarstellungen zu befreien. "Meine pädagogische Haltung ist, Kinder und Jugendliche nicht vor inkriminierten Texten oder Wörtern zu bewahren. Die Welt ist eben zum Teil auch schrecklich und verstörend. Wir müssen Räume schaffen, in denen über solche Verstörungen gesprochen werden kann. Die ethische Haltung muss ein Kind aber selbst entwickeln", sagte Brenne und ergänzte: "Das geschieht nicht dadurch, dass man nur ideale Zustände erzeugt. Kinderbücher, die einen Rassisten als Figur nicht mehr explizit bezeichnen können, helfen hier nicht weiter. Literatur hat auch etwas Wildes. Das soll man Kindern nicht vorenthalten".