Der Begriff „Freiheit“ wurde zur Floskel des Jahres 2022 gekürt. Er steht auf Platz 1 einer Liste, die die sprach- und medienkritische Initiative „Floskelwolke“ kürzlich veröffentlichte. „Der Freiheitsbegriff wird entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern«, heißt es in der Begründung.
Auch für das Jahr 2022 haben die Initiatoren der sprach- und medienkritischen "Floskelwolke" aus über 70 eingereichten Begriffen und Formulierungen die fünf Floskeln des Jahres gewählt. Auf Platz 1 der Negativpreis-Liste steht der Begriff "Freiheit", der, so die Initiatoren, von Egoman*innen entwürdigt werde, "die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern". Zudem sei es bedenklich, wie solcherlei Begriffe von den Medien ohne Einordnung weiterverbreitet werden.
"Dass rechtskonservative bis rechtsextreme Kreise Begriffe und Formulierungen kapern und zweckentfremden, ist sicherlich nichts Neues. Die Mechanismen dahinter, die auch zu einer gewissen Verrohung in der Gesellschaft führen, sind schließlich bekannt. Verblüffend und erschreckend zugleich ist allerdings, wie schnell journalistische Medien diese Begriffskaperungen und Framings ohne nötige Einordnung verbreiten und wie effizient diese toxische Gesinnungen in die Gesellschaft einmassiert werden können", so Sebastian Pertsch.
Auf Platz der Jahresliste folgt der Begriff "Sozialtourismus"; Platz 3 belegt die Floskel "technologieoffen". Platz 4 geht an das Wort "Klimakleber" und auf Platz 5 schafft es der von Bundeskanzler Olaf Scholz beschworene "Doppelwumms". Im Folgenden die Platzierungen mit den jeweiligen Begründungen.
Platz 1 - "Freiheit"
Ich, ich, ich! Der Freiheitsbegriff wird entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern. Im Namen der Freiheit verkehren sie selbstgerecht und unsolidarisch die essenziellen Werte eines Sozialstaates ins Gegenteil – alles für den eigenen Vorteil.
Platz 2: "Sozialtourismus"
Der Begriff suggeriert, dass Einwander*innen vor allem wegen Sozialleistungen kämen. Rechtslastiger Populismus in der Union hat Tradition. Schließlich war sie es vor zehn Jahren, die dem „Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres“ verhalf – und die zynische Wortwahl auch im vergangenen Jahr pflegte.
Platz 3: "technologieoffen"
Auf altbackene Techniken beharren und unwirtschaftliche Ideen aus der Glaskugel anpreisen. Nach allen Seiten offen und modern zu erscheinen, ist sprachlicher Nebelkerzenweitwurf bei marktwirtschaftlicher Sturheit. Wissenschaftlich valide Konzepte verblassen im Dunst dieser scheinbaren Offenheit.
Platz 4: "Klimakleber"
Einprägsame Alliteration, die an Verächtlichkeit kaum zu überbieten ist. Ein knappes Sprachetikett für Menschen, die ungeachtet ihrer Ziele auf die Protestform reduziert werden. Auch die Etikettierer*innen aus Boulevard und Politik schreien nach Aufmerksamkeit, haben aber nur selten Gegenargumente.
Platz 5: "Doppel-Wumms"
Die zweite Auflage der „Bazooka“ liegt auf dem Tisch, doppelt munitioniert mit Subventionen für Energiekonzerne und Verbraucher*innen. Der „Wumms“ aus dem Doppellauf der Büchse kostet so viel, dass er wohl nur noch lautmalerisch vermittelbar ist. Wir erwarten weitere „Piff-, Paff- und Puff“-Gesetze!
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