Michael D. Gordin - "Am Rande" Nessie, Big Foot und der Jeti: Am düsteren Rande der Wissenschaft

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Der US-amerikanische Historiker Michael D. Gordin verweist in seinem aktuellen Buch "Am Rande" auf die Schnittstelle von Wissenschaft und Pseudowissenschaft. Er zeigt, dass die Suche nach einem Unterscheidungskriterium aussichtslos ist, und macht einen anderen Vorschlag. Bild: Konstanz University Press

Wie und unter welchen Umständen entstehen verschwörungstheoretische Annahmen und Pseudowissenschaften? Wann wird aus Faszination Glaube? Und wie schaut es eigentlich am düsteren Rand der etablierten Wissenschaften aus, von wo aus es nurmehr ein klitzekleiner Schritt bis in die Abwegigkeit ist? Antworten auf diese Fragen kann man in dem aktuellen Buch des Historiker Michael D. Gordin finden. In "Am Rande. Wo Wissenschaft auf Pseudowissenschaft trifft" liefert er einen aufschlussreichen Überblick pseudowissenschaftlicher Ansätze.

Man kann die Pseudowissenschaft als eine Disziplin bezeichnen, die, da sie Grenzüberschreitung nicht scheut und wissenschaftliche Begrenzungen nicht zulässt, freier und kreativer ist als jede etablierte Wissenschaft. Unter dem Gesichtspunkt der Kreativität des Denkens, kann die Pseudowissenschaft also durchaus positiv bewertet werden. Problematisch ist nur, dass auf grenzenlosen Denkbewegungen oftmals die Formulierung politischer und ideologischer Grenzen folgt. Wenn Pseudowissenschaften auf Verschwörungstheorien treffen, kann aus anfänglicher Neugierde schnell die Überzeugung werden, man sei Opfer einer dunklen, weltumfassenden Verschwörung.

Wegweisende Pfeiler auf diesem Pfad können Astrologie, Spiritismus, Ufologie und Eugenik sein. Wie faszinierend (und zugleich gefährlich) diese sein können, zeigt der US-amerikanische Historiker Michael D. Gordin in seinem Buch "Am Rande". Gordin, der an der Princeton University lehrt, beschäftigt sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit bereits seit Längerem mit abtrünnigen Lehren und ihrer politischen Instrumentalisierung. Auf 150 Seiten gibt er hier einen knappen aber aufschlussreichen Einblick ins pseudowissenschaftliche Werken und Wirken.

Big Foot, Nessie, das Ungeheuer von Loch Ness

Neben hinlänglich bekannten pseudowissenschaftlichen Überzeugungen (wie etwa die Flat Earth-Theorie), stoßen Leserinnen und Leser auch auf weniger prominente Zweige. Anhänger der Kryptozoologie etwa, gehen von der Existenz von Tieren aus, die in den etablierten Wissenschaften nicht anerkannt sind. Bigfoot, das Ungeheuren von Loch Ness oder der Yeti sind hier bekannte Beispiele.

Ein wichtiger Punkt im Buch ist der Versuch einer Grenz-Lokalisierung. Wo genau endet eigentlich Wissenschaft, und wo beginnt pseudowissenschaftliches Denken? Gordin macht klar, dass es mit der exakten Abgrenzung alles andere als einfach ist. Hier fehle ein schlagendes Kriterium, nach dem man sich in der Abgrenzungsfrage richten könne. Dass ein solches Kriterium fehlt, liegt in der Fluidität der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen begründet. Wissenschaft steht nicht still, ist dynamisch und in ständiger Bewegung (nicht zuletzt darin unterscheidet sie sich von den meisten Pseudowissenschaften, die oftmals apodiktisch daherkommen).

Wissenschaftsgeschichtlicher Zugang

Der Historiker schlägt nun einen wissenschaftsgeschichtlichen Zugang vor. Statt einzelne Disziplinen abzugrenzen, sortiert er die vorhanden Pseudowissenschaften, und ordnet sie in Gruppen an. Die Astrologie und Alchemie - Überbleibsel alter, längst widerlegter Wissenschaften - gehören so der Gruppe der "Rudimentären Wissenschaften" an. Theorien, die gezielt auf politische Machtansprüche zielen, steckt Gordin in die Kategorie "Hyperpolitisierten Wissenschaften". Schließlich finden wir noch solche Annahmen, die sich dezidiert gegen die "etablierten Wissenschaften" richten, und diese mit ihren eigenen Mitteln und Vorgehensweisen zu untergraben versuchen.

Michael D. Gordin liefert einen interessanten und nachvollziehbaren Einblick in die Verzweigungen pseudowissenschaftlicher Bemühungen, ohne dabei allzu distinktiv vorzugehen. Er zeigt: Die Qualität etablierter Wissenschaften liegt nicht darin, dass sie strikt von den abtrünnigen zu trennen sind. Wir ahnen: Wo eine solch rigorose Trennung vollzogen wird, soll Komplexität reduziert, und aus der eigenen Weltbetrachtung eine Axt gegen andere gemacht werden.


Michael D. Gordin: "Am Rande. Wo Wissenschaft auf Pseudowissenschaft trifft" / Konstanz University Press / 2022 / 156 Seiten / 24 €

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