Am Sonntag startete die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Bereits viele Wochen zuvor wurde mit großem Unmut auf diese Eröffnung geblickt. Von Doppelmoral war die Rede, von Menschenrechtsverletzungen und Arbeitsmigranten. Eine Perspektive, die häufig zu überzogen daherkommt und zugleich von großer Unkenntnis zeugt, meint der Politikwissenschaftler Nicolas Fromm. In seinem Buch "Katar. Sand, Geld und Spiele" nimmt er eine weniger vorwurfsvolle, sachlichere Haltung ein.
Nicolas Fromm ist Politikwissenschaftler, beschäftigt sich in seiner Forschung mit den Golfstaaten und insbesondere mit Katar. Mit Blick auf die Diskussionen, die rund um die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar in den vergangenen Wochen losgetreten wurden, spricht Fromm von Ignoranz und Überheblichkeit. Eine Einschätzung, die auch in seinem Buch "Katar. Sand, Geld und Spiele" so anzutreffen ist. Der moralischen Erregtheit will der Politikwissenschaftler mit Sachlichkeit begegnen, und setzt vor allem auf Information. Dabei werden die bereits bekannten Kritikpunkte durchaus angerissen, aber nicht länger verfolgt.
Fromm liefert zunächst eine informative und gut überschaubare Einleitung, bevor er zu geographischen Fragen und Handelsverhältnissen übergeht. Von dort aus veranschaulicht er den ökonomischen Aufstieg Katars zum reichsten Land der Erde, sowie die politisch-diplomatische Rolle, die das Land als Vermittler zwischen dem Westen und der Golfregion darstellt. Diese Aufstiegs-Geschichte erzählt Fromm auf wenigen Seiten zweifellos anregend; und wer sich bislang nicht mit dem Emirat beschäftigt hat, findet hier eine griffige, grundlegende Skizze.
Sport als politisches Instrument
Dass der sportliche Wettbewerb von immenser Bedeutung für die politische Ausrichtung und Stabilität eines Landes sein kann, ist ein Gemeinplatz. Katar benutzt dieses Instrument besonders stark in außenpolitischer Hinsicht. Prestigeträchtige, prunkvoll ausgerichtete Events wie das Diamond-League-Meeting, Weltmeisterschaften in Leichtathletik oder Tennisturniere sollen das Land nach außen hin strahlend erscheinen lassen. Welch ein Dreck mit Sensationen dieser Art überschüttet werden soll, ist derzeit in aller Munde.
Fromm nimmt sich hier doch stark zurück, hält Ausrichtungen dieser Art sogar für legitim, affirmiert also die blendende Wirkung des Prunkes. Wenn hier von "gelebter Gastfreundschaft" die Rede ist, dann kommt doch die strategische Dimension einer solchen - vielleicht nur mal eben kurz - "gelebten Gastfreundschaft" zu kurz. Sich an dieser Stelle in die Sachlichkeit und bemühten Objektivität zu retten, ist zwar legitim, aber doch fragwürdig.
Der Kulisse den Schein nehmen
So sehr man Fromms Bemühen, der "ignorant-überheblichen" westlichen Berichterstattung ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen, zunächst nachvollziehen kann, so sehr wünscht man sich nach den ersten 60 Seiten dieses schmalen Buches dann doch eine Haltung, die über die reine Deskription hinausgeht. Vielleicht wäre damit schon erreicht, was Fromm "westliche Arroganz" nennt - geschenkt. Mir täten ein paar kritische Worte zur uneingeschränkten Macht einer Monarchie, zu süffisanten Herrscherfiguren und dem sozial-ökonomischen Gefälle, welches sich zwischen der Al-Thani-Familie und den Gastarbeitern auftut, gut. Nicht zuletzt, um der glänzenden Kulisse den Schein zu nehmen.
Nicolas Fromm - "Katar. Sand, Geld und Spiele" / C. H. Beck / 2022 / 170 Seiten / 16, 95 €