Für ihr Buch "Klima außer Kontrolle" wurden die Journalistinnen Annika Joeres und Susanne Götze kürzlich mit dem NDR Sachbuchpreis ausgezeichnet. In ihrer Laudatio lobte die Juryvorsitzende Katja Marx den Ansatz des Buches, "wissenschaftliche Analyse zum Klimawandel mit dessen spürbaren Folgen" zu verbinden. In der Tat: Götze und Joeres ist hier ein eindrucksvolles Werk gelungen. Ein Resümee, das zugleich Appell ist; ein Appell, der immer notwendiger zu werden scheint. Denn Eines wird auch mit und nach der Lektüre von "Klima außer Kontrolle" deutlich: Wir haben es mit keinem Erkenntnisproblem zu tun. Nur bei der Umsetzung haperte es bisher gewaltig.
"Es ist noch nicht zu spät", sagte Annika Joeres, Mit-Autorin des Buches "Klima außer Kontrolle", kurz nachdem sie - gemeinsam mit der Journalistin Susanne Götze - den NDR Sachbuchpreis entgegengenommen hatte. Dieses "noch nicht" wirkt nach der Lektüre des an diesem Abend ausgezeichneten Buches bedrohlich nach. Denn was Joeres und Götze in "Klima außer Kontrolle" zeigen, lässt einen stellenweise deprimiert und erschrocken zurück. Für ihre Analyse sind die Journalistinnen durch ganz Deutschland gereist, haben sich mit den Folgen von Starkregen, Flutkatastrophen und Hitzewellen beschäftigt und geschaut, wie gut Deutschland auf trockene Äcker und überhitzte Städte vorbereitet ist. Ihr Resümee: Es gebe zwar ausreichend Pläne, konkrete Schutzvorkehrungen für Klimagefahren allerdings wenige.
Ahrtal als naheliegendes Beispiel
Ein Beispiel für den zum Teil absurden Umgang mit Umweltkatastrophen ist das Hochwasser im Ahrtal. Die Autorinnen zeigen, wie Behörden und Bewohner mit den Hochwassern in den Jahren 1804 und 1910 umgingen, wie die Überflutungen regelrecht verdrängt und Häuser dort wiederaufgebaut wurden, wo sie auch im vergangenen Jahr abermals weggespült wurden. Und wieder baut man dort, wo die Gefahr lauert.
Dahinter steckt eine störrische Behäbigkeit. In Deutschland, so die Journalistinnen, wird viel Geld in die Schadensbeseitigung gesteckt. Die Schadensprävention hingegen, wird stark vernachlässigt. So werden, wie im Beispiel Ahrtal, zerstörte Ort mit viel Geld für die nächste Zerstörung hergerichtet. Dass sich die Natur und somit die Lebens- und Überlebensbedingungen verändern, will man nicht anerkennen. Selbst wenn die Behörden um die Überflutungsgefahr bestimmter Gebiete wissen, bleibt diese oft unerwähnt, wie Joeres und Götze am Beispiel unveröffentlichter Überflutungskarten zeigen. Der Grund: Die Immobilienpreise könnten in Starkregengebiete fallen.
Unser Problem mit dem "Weniger"
Auch in "Klima außer Kontrolle" stoßen wir auf jenes Problem, dass sich durch die gesamte Klimadebatte zieht: Unsere Angst vor einer Welt ihn Wachstum. Das "Weniger" fällt uns ungemein schwer, scheint in gewissen Kreisen vollkommen irreal und geradezu unvorstellbar zu sein. Gerade dies aber, ist unumgänglich. Dabei verläuft der Diskurs etwas merkwürdig, könnte man dem "Weniger" doch problemlos ein "Mehr" an die Seite stellen. So bedeuten weniger Autos (und dementsprechend weniger Parkplätze) mehr Platz, mehr Bewegung, mehr Begegnungsorte und mehr Abkühlung, die wir bereits in naher Zukunft dringend nötig haben werden.
Dass diese Notwendigkeit von der Lust verdrängt wird, fröhlich weiterzubauen, wird im Buch auf deprimierende Weise deutlich. Eine Ignoranz, die die Hände über den Kopf zusammenschlagen lässt. Das werden Küstenhäuser errichtet, die, das ist mittlerweile sicher, zumindest im Norden Deutschlands vollkommen zukunftslos sein werden. Auch wenn die Autorinnen Iden einzelnen Kapiteln stets einen Lösungsvorschlag anfügen, wird doch klar, wie problematisch und starr die deutsche Anpassungspolitik ist. So ist dann auch im Resümee des Buches von "Geiz", "Unwissenheit" und "Profitgier" die Rede. Von einer Ignoranz, die an "Fahrlässigkeit" grenzt.
Susanne Götze, Annika Joeres - "Klima außer Kontrolle. Fluten, Stürme, Hitze - Wie Deutschland sich schützen muss" / Piper-Verlag / 2022 / 336 Seiten / 20 Euro.