Deutscher Buchpreis 2022 Andreas Stichmann: "Eine Liebe in Pjöngjang"

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Andreas Stichmanns Roman "Eine Liebe in Pjöngjang" steht in diesem Jahr auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Bild: Rowohlt

In seinem für den Deutschen Buchpreis 2022 nominierten Roman "Eine Liebe in Pjöngjang" erzählt Andreas Stichmann von einer ungewöhnlichen Begegnung in Nordkorea, auf deren Grundlage sich kulturelles Interesse, verstaubte Germanistik und irrationales Verliebtsein auf wunderbare Weise verschränken. Eine Liebesgeschichte, die zunächst unmöglich und magisch, gegen Ende jedoch ungeheuer nah erscheint.

Sein Debütroman "Das große Leichten" (2012) wurde geradezu hymnisch von der Kritik gefeiert, der fünf Jahre später erschienene zweite Roman "Entführung des Optimisten Sydney Seapunk" (2017) nicht weniger gut besprochen. Jetzt, abermals fünf Jahre nach der letzten Veröffentlichung, steht Andreas Stichmann mit seinem dritten Roman "Eine Liebe in Pjöngjang" (2022) auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Erzählt wird darin von einer sonderbaren Begegnung, die in einem magischen Verliebtsein mündet. Das alles wird ein wenig politisch, etwas stärker kulturell, vor allem aber linguistisch unterfüttert, so dass hinter jedem Blick immer ein klein wenig mehr steckt als nur das bloße Anschauen beziehungsweise angeschaut werden.

Zwei Dutzend Berliner Kulturmenschen machen sich auf den Weg nach Nordkorea, um dort der Eröffnung einer deutschen Bibliothek beiwohnen zu können. Die Reiseleiterin, Claudia Aebisch - in der DDR aufgewachsen, Präsidentin des Verbands europäischer Bibliotheken und Autorin mehrerer erzählender Sachbücher -, begegnet und als erste Protagonistin der Geschichte. Bald wird sie auf die junge Sunmi treffen, die die Gruppe als Dolmetscherin und Überwacherin begleitet. Die sich zwischen diesen zunächst so unterschiedlich erscheinenden Frauen herstellende Beziehung wird das Hauptthema des Buches werden. Das unsichtbare Band zwischen der fünfzigjährigen, als Führerin auftretenden Claudia und der jungen, charmanten, berechnenden und überwachenden Sumnie.

Die Flucht nach vorn verbindet

Die Ostdeutsche - im fernen Osten als Westlerin mit Widerwillen betrachtet und abgetan - fühlt sich schnell hingezogen zu der zwanzig Jahre jüngere Nordkoreanerin. Diese - mit einem einbeinigen Kriegsveteran zwangsverheiratet - spürt ihrerseits eine seltsame Verbundenheit. Es ist der Wunsch auszubrechen, die Fahrtrichtung zu ändern, das bisher Bestehende umzuwenden, zu zertrümmern, welcher die Frauen eint. Claudia will endlich den Roman schreiben, den sie sich lange vorgenommen hat und der als "Poesie-Ding" in ihrem Kopf umherschwirrt. Sumnie will ihrer Ehe, ihrem Land entkommen, sehnt sich nach einer Freiheit der anderen Art.

Alles was Claudia über Sunmi in Erfahrung bringen konnte, sind Andeutungen. Eine Kindheit in einem Dorf nahe der chinesischen Grenze, Tod der Eltern, Flucht nach Pjöngjang. Das Schwesterlichen, das ob der Kälte in den Armen der jungen Frau stirbt. Schließlich die Zwangsheirat mit einem Germanistikprofessor, der im Bett auf seine Kosten kommen will.

Vexierspiel

Andreas Stichmann erzählt virtuos, lebendig, mit einem Hang zur Unterbrechung, zum Abbruch einer Vorstellung, eines Gedankens, einer Phantasie. Stets wechselt er dabei die Perspektiven, blickt mit den Augen der Fünfzigjährigen auf die junge Schönheit; blickt mit den Augen der jungen, gefangenen und eingesperrten Schönheit auf die Deutsche, in der sie die begehrte Freiheit zu erkennen glaubt. Stichmann schafft es tatsächlich, eine unmögliche erscheinende Annäherung möglich, lebendig werden zu lassen.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund autokratischer Strukturen, die sowohl in der Vergangenheit Claudias, wie auch in der Gegenwart Sunmis anzutreffen sind. Die Fragen danach, ob Verliebt-Sein Freiheit oder Einschränkung bedeutet, ob die Liebe eine Antwort sein kann oder die Revolution im Wünschen selbst stattfindet, begleitet diese Lektüre bis zum Schluss. Ein altes Dilemma vor neuen Kulissen.


Andreas Stichmann: "Eine Liebe in Pjönjang" / Rowohlt 2022 / 160 Seiten / 20 €



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