Einmal monatlich stellen 30 renommierte LiteraturkritikerInnen mit der SWR-Bestenliste eine Auswahl an Büchern vor, denen sie besonders viele LeserInnen wünschen. In dieser Woche steht der Roman "Die Nacht unterm Schnee" von Ralf Rothmann an der Spitze dieser Auswahl. Nach den beiden Vorgängerromanen "Im Frühling sterben" (2016) und "Der Gott jenes Sommers" (2019) präsentiert Rothmann hier nun den dritten und letzten Teil seiner Weltkriegs-Trilogie. Auf Platz 2 haben die KritikerInnen Daniela Dröschers Roman "Lügen über meine Mutter" gewählt. Werner Herzogs neuer Titel "Jeder für sich und Gott gegen alle" folgt auf Platz 3.
Ralf Rothmann steht mit dem fulminanten Finale seiner Weltkriegs-Trilogie - "Die Nacht unterm Schnee" - in diesem Monat an der Spitze der SWR-Bestenliste. Nachdem Rothmann in seinen beiden Vorgänger-Romanen "Im Frühling sterben" und "Der Gott jenes Sommers" bereits in die Abgründe des Zweiten Weltkriegs geführt hatte, zeigt er seine Figuren nun in der jungen Bundesrepublik. Die KritikerInnen der SWR-Bestenliste sind davon überzeugt, dass der Roman auch dann gut zu lesen ist, wenn man die Vorgängerromane nicht kennt. "Doch erst in ihrer Gesamtheit offenbaren sich die subtilen literarischen Querverbindungen, die Rothmann unter den drei Romanen gezogen hat."
"Die Nacht unterm Schnee"
So kehren hier Figuren aus den Vorgängern wieder auf. Die Erzählerin in diesem dritten Teil ist beispielseiwese Luisa, die Protagonistin in "Der Gott jenes Sommers" war. Die Hauptfiguren sind Elisabeth Urban und ihr Mann Walter, den wir als zwangsrekrutierten aus !"Im Frühling sterben" kennen, wo er gezwungen wurde, seinen besten Freund Fiete mit dem Karabiner zu erschießen. Inzwischen lebt Walter mit seiner Frau Elisabeth - eine Freundin der Erzählerin Luisa - in der norddeutschen Provinz, wo er als Melker arbeitet. Luisa macht indessen eine Ausbildung zur Bibliothekarin. Die Lebensweise der beiden Frauen kreuzen sich immer wieder, nicht zuletzt, weil Walter Luisas große Liebe ist.
Mit Walter und Elisabeth porträtiert Ralf Rothmann seine eigene Eltern. Ebenso wie ihr historisches Vorbild, zieht das Roman-Paar in Ruhrgebiet, wo Walter als Kumpel eine Arbeit unter Tage annimmt. Parallel dazu erzählt Rothmann von der Flucht Elisabeths aus Ostpreußen Richtung Westen im Winter 1945. So ist "Die Nacht unterm Schnee" aus der Perspektive des Autors vor allem eines: Das Porträt der eigenen Mutter, die Schreckliches erlebt, aber kaum ein Wort darüber verloren hatte. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk Kultur sprach Rothmann deutete Rothmann das überaus schwierige Verhältnis zu seiner Mutter an, erzählte, dass es notwendig war, mit Luisa eine Figur zu erschaffen, die eine gewisse erzählerische Distanz zur eigenen Mutter herstellt. Die KritikerInnen der SWR-Bestenliste konstatieren jedenfalls mit Blick auf Rothmanns aktuellstem Werk: "Seine Sprache ist realistisch, seine Beschreibungen suchen in ihrer Präzision ihresgleichen. Ein Buch, das Traumata beschreibt, die bis in die Gegenwart hineinreichen."
Die SWR-Bestenliste September
- Platz 1 - Ralf Rothmann: "Die acht unterm Schnee"
- Platz 2 - Daniela Dröscher: "Lügen über meine Mutter"
- Platz 3 - Werner Herzog: "Jeder für sich und Gott gegen alle"
- Platz 4 - George Saunders: "Bei Regen von einem Teich schwimmen - Von den russischen Meistern lesen, schreiben und leben lernen"
- Platz 5 - Durs Grünbein: "Äquidistanz"
- Platz 6 - Jürgen Becker: "Die Rückkehr der Gewohnheit"
- Platz 6 - Thomas Hürlimann: "Der Rote Diamant"
- Platz 6 - Norbert Scheuer: "Mutabor"
- Platz 9 - Sigrid Nunez: "Eine Feder aus dem Atem Gottes"
- Platz 9 - Marian Engel: "BÄR"
- Platz 9 -Robert Stripling: "Unter Stunden - Albrum I"
Die SWR-Bestenliste Jury
Gerrit Bartels (Berlin) │Helmut Böttiger (Berlin) │ Michael Braun (Heidelberg) │ Gregor Dotzauer (Berlin) │ Martin Ebel (Zürich) │ Eberhard Falcke (München) │ Cornelia Geißler (Berlin) │ Sandra Kegel (Frankfurt) │ Dirk Knipphals (Berlin) │Sigrid Löffler (Berlin) │ Ijoma Mangold (Berlin) │ Klaus Nüchtern (Wien) │ Jutta Person (Berlin) │ Wiebke Porombka (Berlin) │ Iris Radisch (Hamburg) │ Ulrich Rüdenauer (Bad Mergentheim) │ Denis Scheck (Köln) │ Marie Schmidt (München) │ Christoph Schröder (Frankfurt) │ Julia Schröder (Stuttgart) │ Gustav Seibt (Berlin) │ Shirin Sojitrawalla (Wiesbaden) │Hubert Spiegel (Frankfurt) │ Nicola Steiner (Zürich) │ Daniela Strigl (Wien) │ Beate Tröger (Frankfurt) | Kirsten Voigt (Baden-Baden) │ Jan Wiele (Frankfurt) │ Insa Wilke (Berlin) │ Hubert Winkels (Köln)