Eklat um Buchveröffentlichung "Ist Winnetou erledigt?": Karl-May-Gesellschaft und -Stiftung veröffentlichten offenen Brief

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Die Debatte um den Rückzug von zwei Winnetou-Büchern, die begleitend zum Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou" beim Ravensburger Verlag erschienen sind, erhitzt weiterhin die Gemüter. Jetzt haben die Karl-May-Gesellschaft und die Karl-May-Stiftung einen offenen Brief verfasst, in welchem sie die Entscheidung des Verlags kritisieren. Darin heißt es unter anderem, May sei ein "Erzieher für Toleranz und Weltoffenheit".

Buchdeckel der klassischen Winnetou-Ausgaben 1 -3 (ab 1893) Bild: Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld (Wikipedia)

Unter dem Titel "Ist Winnetou erledigt" haben die Karl-May-Gesellschaft und -Stiftung einen offenen Brief verfasst, in welchem sie die Entscheidung des Ravensburger Verlags, die zwei zum Filmstart von "Der junge Häuptling Winnetou" veröffentlichten Karl-May-Bücher aus dem Verkauf zu nehmen, heftig kritisieren. Zuvor hatten Userinnen und User auf Instagram und anderen sozialen Plattformen sowohl dem Film, als auch den Büchern eine rassistische und kolonialistische Gesinnung unterstellt. Seitdem diskutiert die kulturelle Öffentlichkeit darüber, wie man mit der historischen Darstellung anderer Kulturen umgehen sollte. In ihrem Brief wehren sich Gesellschaft und Stiftung gegen die Vorwürfe der Kritiker. Karl May sei ein "Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit", heißt es dort.

Ethnische Stereotype und eurozentristischer Blick

Die Verfasser machen darauf aufmerksam, dass Karl May als Schriftsteller des 19. Jahrhunderts "unvermeidlich vom Habitus eines kolonialen Zeitalters geprägt" war. Diese Tendenzen seien insbesondere in seinen frühen Texten zu finden, die damals gängige ethnische Stereotype sowie einen eurozentristischen Blick auf die Welt enthalten. Allerdings verweisen die Autoren auch darauf, dass May diesen Blick mit allen Autorinnen und Autoren seiner Zeit teile. Diese Perspektiven kritisch herauszuarbeiten und auf ihre Quellen zurückzuführen, sei Aufgabe der Literatur- und Kulturwissenschaft.

Ausbeutung und Sklaverei werden unmissverständlich verurteilt

"Die Besonderheit Karl Mays besteht darin, dass in seiner Darstellung des ›Wilden Westens‹ von Anfang an die Sympathie des Erzählers der leidenden indigenen Bevölkerung gilt.", heißt es weiter. In der Figur Winnetou verkörpere sich die menschliche Qualität und Würde jener Bevölkerung, deren Vernichtung (materiell wie kulturell) grundiere alle Nordamerikaerzählungen des Autors.

"Auch an anderen Schauplätzen – in Südamerika und Südafrika, im Mittleren und Fernen Osten – werden Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung, Sklaverei und gewaltsame Mission mit ihren Motiven und Folgen immer wieder drastisch vor Augen geführt und unmissverständlich verurteilt", so die Autoren weiter. In May´s Geschichten seien es gerade die negativ gezeichneten Antagonisten, die außereuropäische Kulturen verachten, sich einer rassistischen Sprache bedienen und religiöse Intoleranz an den Tag legen. Gerade hierdurch habe der Autor bei Leserinne und Lesern über Generationen hinweg als "Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit" gewirkt.

Einfach mal lesen...

Die Frage danach, woher der Drang vieler Kritikerinnen und Kritiker, das vermeidlich vom eigenen Ideal-Weltbild Abweichende auszulöschen, rührt, geistert nicht zum ersten Mal durch die öffentlichen Debatten. Bereits vor Jahren hat man hat dafür auch hier in Deutschland den Begriff "Cancel Culture" erwählt, um einordnen, sortieren, um verniedlichen und verachten zu können. Um etwas wild um sich Greifendes greifbarer zu machen. Vermutlich liegt das Problem aber sehr viel tiefer. Nicht auszuschließen, dass die Notwendigkeit zur Eliminierung alles Unangenehmen ein notwendiges Symptom in einer sich über merkantile Wahlentscheidungen konstituierenden Welt ist. Dass Kultur, Kritik und Debatte also so gewählt wird, wie man Wurst und Käse aus den Regalen seines Lieblingssupermarktes herauskauft, und rigorose Ablehnung auf Überforderung gründet.

Der Leiter des Karl-May-Hauses in Hohenstein-Ernstthal, André Neubert, legte den Kritikern der aktuellen Winnetou-Bücher nahe, sich mit dem, was sie da ablehnen, zunächst zu beschäftigen. "Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die diese Debatte losgetreten haben, ein Karl-May-Buch zur Hand nehmen und lesen". Nach gewissenhafter Lektüre würden sie ihre Meinung mit Sicherheit ändern, vermutet Neubert. Die Kritiker bilden in seinen Augen eine kleine aber lautstarke Gruppe, die sich Gegenargumenten verschließt.

Kar May sei ein Kritiker der Kolonialismus und ein Pazifist gewesen, der sich für die Völkerverständigung eingesetzt hat, betonte der Historiker weiterhin. Angesichts der aktuellen Kriege und antagonistischen Entwicklungen in der Welt, sollte man eher mehr als weniger Karl May lesen, sagte Neubert.

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