Im Herbstprogramm des dtv-Verlags sind einige Titel zu finden, die sich mit den Wunden innerhalb der eigenen Biografie beschäftigen. So schreibt der schwedische Schriftsteller Alex Schulmann ("Die Überlebenden") in seinem neuen Roman über eine Wut, die seine Kinder zurückschrecken lässt. Der Franzose Sorj Chalandon beschäftigt sich in "Verrätervater" mit den Ursprüngen seines Schreibens. Und Martin Mosebach beleuchtet ein weiteres mal die psychologischen Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen.
Gegen Ende des Jahres erwarten uns bei dtv große Namen und existenzielle Themen. Wir haben ins Herbstprogramm geschaut und vier Titel ausgewählt, die wir hier gern präsentieren wollen. Die Übersicht aller Neuerscheinungen findet ihr hier.
"Taube und Wildente" von Martin Mosebach (erscheint am 19. Oktober)
Der neue Roman des Bestsellerautors Martin Mosebach, der wohl zu den sprachgewaltigsten deutschen Autoren der Gegenwart gehört und ein Meister der Ausbreitung zwischenmenschlicher Beziehungen ist. Auch in "Taube und Wildente" geht es um ein Ehepaar, das sich an einer Frage aufreibt, deren scheinbare Banalität direkt in die tiefen Abgründe der Zweisamkeit führen.
Verlagsankündigung
Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer auf ihrem Landsitz in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an "Taube und Wildente", einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber die Frau will es verkaufen, die Spannung zwischen beiden wächst.
"Verbrenn all meine Briefe" von Alex Schulman (erscheint am 21. September)
Mit seinem Roman "Die Überlebenden" erschien im August 2021 eine der packendsten Geschichten des vergangenen Jahres. Alex Schulmans Prosa ist von einer poetischen Radikalität, die kaum jemanden kalt lassen wird. Im September dieses Jahres erscheint nun mit "Verbrenn all meine Briefe" das zweite Buch des schwedischen Autors. Ebenfalls ein biografisches Werk, dass sich nicht zuletzt mit der Frage beschäftigt, warum er, Schulman, eine so tiefe Wut in sich trägt.
Verlagsankündigung
Sommer 1932: Die 24-jährige Karin verliebt sich in den jungen Schriftsteller Olof. Aber es gibt ein Problem: Karin ist mit Sven verheiratet, einem stürmischen, hochrangigen Schriftsteller mit einer grausamen Ader. Wird sie es wagen, ihren Mann verlassen und ein anderes Leben mit ihrer neu entdeckten Liebe beginnen? 68 Jahre später fragt sich Karins Enkel Alex, Autor und dreifacher Vater, warum er eine so tiefe Wut in sich trägt; eine Wut, die seinen Kindern Angst macht und eine Kluft zwischen ihm und seiner Frau schafft. Auf der Suche nach Antworten stößt er auf die Geschichte zweier unglücklich Liebender, die zeigt, wie Leidenschaft, Eifersucht und Wut über Jahrzehnte und Generationen hinweg Wogen schlagen können.
"Verräterkind" von Sorj Chalandon (erscheint am 16. November)
Ein Roman, der, zumindest was die Motivation anbelangt, dem Schulmans nicht unähnlich ist. Sorj Chalandon, einer der bedeutendsten Schriftsteller Frankreichs, stellt sich in "Verräterkind" den Triebfedern seines eigenen Schreibens. Die Auseinandersetzung mit der Biografie des eigenen, gewalttätigen Vaters bedeutet hier die Auseinandersetzung mit den Wurzeln des eigenen Schreibens.
Verlagsankündigung
"Dein Vater stand auf der falschen Seite." – ein Satz, der die Familie zerreißt. Seit seiner Kindheit quält den Erzähler eine Frage: Was hat der Vater während der Besatzungszeit gemacht? Doch er traut sich nie, ihn zu fragen, zu unberechenbar, zu gewalttätig ist dieser Vater. Im Mai 1987, als in Lyon der Prozess gegen den NS-Verbrecher Klaus Barbie eröffnet wird, berichtet der Sohn als Journalist einer großen französischen Tageszeitung. Und erfährt am selben Tag, dass die Gerichtsakte seines Vaters im Archiv schlummert. Und so ist es nicht ein Prozess, der gerade begonnen hat, es sind zwei. Die sprachgewaltige, schmerzhafte Auseinandersetzung Chalandons mit der Wunde seines Lebens und Schreibens, dem Vater als Verräter.
"Die Cousinen" von Aurora Venturini (erscheint am 21. September)
"Meine Charaktere sind alle grausam. Meine Familie war grausam. Das ist, was ich kenne.", sagte Aurora Venturini. Mit "Die Cousinen" schrieb die argentinische Autorin im Alter von 85-Jahren einen fesselnden Coming-of-Age-Roman, der nun auch in deutscher Übersetzung erscheint. Er erzählt vom Aufwachsen unter brutalsten und schwierigsten Umständen, von der Flucht in die Kunst und von einer Welt, in der die ständige Bedrohung an der Tagesordnung ist.
Verlagsankündigung
Yunas Kindheit ist alles andere als einfach. Zu Hause ist das Geld knapp, die alleinerziehende Mutter streng und lieblos, die schwer behinderte Schwester eine Belastung. Und wegen einer Lernschwäche wird Yuna als einfältig abgestempelt. Dabei hat sie über ihre Umwelt viel zu sagen – und findet in der Malerei schließlich Ausdrucksmöglichkeit und Anerkennung. Doch lüsterne Männer bringen Unheil in die Familie und bedrohen Yunas Freundschaft mit ihren Cousinen. Unverblümt erzählt Yuna von ihrer Jugend im argentinischen La Plata der 1940er-Jahre und der sie umgebenden brutalen Realität. Mit 85 Jahren hat Aurora Venturini einen wahnsinnig originellen Coming-of-Age-Roman geschrieben, der nun endlich auch international entdeckt wird.