Die Schriftstellerin und Regisseurin Helene Hegemann spricht in einem Interview mit dem Magazin ZEIT VERBRECHEN (ab morgen im Handel) über die Grenzen und Grenzüberschreitungen des politischen Aktivismus. Obgleich sie den abgewogenen, gezielten Regelverstoß in gewissen Situationen gutheißt, kann sie für Aktivisten, die systematisch Gesetze brechen, kein Verständnis aufbringen. "Also runter vom Baum, Jura studieren!"
Kann Gerechtigkeit durch systematischen Rechtsbruch erzwungen werden? Da ist sich die Schriftstellerin und Regisseurin Helene Hegemann nicht so sicher. In einem Interview mit dem morgen erscheinenden ZEIT VERBRECHEN-Magazin spricht sie sich stattdessen für "verantwortungsvolle, gezielte Regelverletzung" aus. Sie selbst habe beispielsweise während der Pandemie abgewogen, "ob es moralisch gerechtfertigt war, gegen die Kontaktbeschränkungen zu verstoßen." So habe sie es für moralisch legitim erachtet, ein Abendessen zu viert zu veranstalten, ohne dass sie dabei das Gefühl gehabt hätte, ein Unrecht zu begehen. Einen Aktivismus aber, der mittels Gesetzesbruch Aufmerksamkeit schürt, hält die 30-Jährige für das falsche Mittel. "Ich halte das in erster Linie für PR-Aktionen. Wenn überhaupt, besteht das Resultat am Ende darin, dass medial über diese Grenzüberschreitung berichtet wird - und man sich dann schnell damit zufriedengibt, dass irgendwo ein paar Verrückte schon die Ratten aus den Versuchslaboren befreien werden und man sich selbst damit nicht weiter beschäftigen muss." Hegemann plädiert stattdessen dafür, Probleme auf legalem Wege anzugehen. "Also runter vom Baum, Jura studieren!"
"Jede Frau die ich kenne hat nachts auf der Straße Angst..."
Derzeit inszeniert Hegemann, deren 2010 erschienener Debütroman "Axolotl Roadkill" aufgrund von Plagiatsvorwürfen Furore machte, den Film "Subotnik" nach Ferdinand von Schirach, in dem es unter anderem Machtmissbrauch und Gewalt gegen Frauen thematisiert wird. Im ZEIT VERBRECHEN-Interview erzählt Hegemann von ihren eigenen Erfahrungen. "Ein Mann ist mir um vier Uhr morgens durch Berlin-Mitte gefolgt, hat mich unter dem Rock angefasst und ist mir hinterhergerannt, als ich weggelaufen bin. Um diese Zeit war alles dunkel, ein totes Viertel. Glücklicherweise wurde in einem Bioladen noch gefeiert. Dahin konnte ich mich flüchten." Die Autorin fügt hinzu, dass es sich bei dieser Begegnung um keineswegs um eine Ausnahme handelt. "Jede Frau, die ich kenne, auch ich, hat nachts auf der Straße Angst, weil sie schon mal eine kritische Situation erlebt hat."
Kriminelle Energie
Auch sie selbst habe eine gewisse Neigung zum Kriminellen. "Das haben alle Künstler." Glücklicherweise äußere sich diese Neigung bei ihr jedoch nicht in Straftaten. In ihrer Jugend gab es jedoch eine Zeit, in der sich ihr Vater dachte, "entweder sie wird großkriminell oder sie macht Kunst". Damals klaute sie dem besorgten Vater Zigarette und Geld. Nach einem missglückten Diebstahl im H&M habe sie ihren kleinen Abstecher in die Kriminalität jedoch beendet. "Ich bin wohl zu feige und zu empathisch für größere Diebstähle oder Betrügereien."
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