Die Berliner Märchen- und Erzählforscherin Prof. Dr. Kristin Wardetzky ist von der gegenwartsbewältigenden Kraft des Erzählens überzeugt. "Im Erzählen von Geschichten", so Wardetzky, "lösen wir uns von der Realität und dringen tiefer in sie ein. Wir verdichten Erfahrungen und erweitern sie. Wir sind Ich und Du in einem. Wir sind Odysseus und Medea und Rapunzel und hören ihnen zu". Jetzt hat die mehrfach ausgezeichnete Professorin 15 Aufsätze unter dem Titel "Fluchtpunkt Fantasie" zusammengetragen. Ein Band über Märchen, Mythen und das künstlerische Erzählen.
Kristin Wardetzky ist emeritierte Professorin für Theaterpädagogik, Märchen- und Erzählforscherin, Vorstandsmitglied der Märchen-Stiftung Walter Kahn sowie des Verbands der Erzählerinnen und Erzähler (VEE). Wardetzky´s Engagement für Mythen und Geschichten scheint grenzenlos. An der Universität der Künste (Berlin) hat sie den Zertifikatskurs "Künstlerisches Erzählen" etabliert. Ebenfalls in Berlin gründete sie den Verein "Erzählkunst e.V". In vielerlei Hinsicht setzt sich die Erzählforscherin für das gesprochene und weitergetragene Wort ein, welchem, so ist die Autorin überzeugt, gerade in unserer digitalen Zeit eine ungeheure Bedeutung zukommt. Eine Auswahl ihrer Arbeiten wird demnächst in dem Buch "Fluchtpunkt Fantasie" nachzulesen sein. Dort versammelt Wardetzky 15 Aufsätze "über Märchen, Mythen und das künstlerische Erzählen."
Für die Aufsatzsammlung hat Kristin Wardetzky eine kleine Auswahl ihrer Arbeiten neu gestaltet. Bislang waren diese in Zeitschriften und Sammelblättern erschienen. In ihren Arbeiten setzt sie sich beispielsweise mit den unterschiedlichen Quellen antiker Mythen auseinander, schreibt über die Verwerfungen im Umgang mit den Märchen der Brüder Grimm oder wirft ein Licht auf die Märchenadaptionen im Theater. Von Homers Odyssee ausgehend blickt sie auf das Glück der Königstöchter in Märchen und Mythen, verdeutlicht die Positionen im deutschen Märchenstreit während der Nachkriegszeit und zeigt ihre Recherchen zur Märchenrezeption auf Berlins Schaubühnen zwischen 1844 und 1990.
Ein Hoch auf das mündliche Erzählen
Am 19. Oktober 1990 veranstaltete der deutsche Schauspieler Bernhard Minetti einen Grimm- Abend auf der Bühne des Berliner Schiller-Theaters. Minetti erzählte an diesem Abend die Grimm'schen Märchen frei. Ebenso wie die Zuschauer und die Presse war auch Kristin Wardetzky begeistert gewesen von der Vorstellung. In einem in "Fluchtpunkt Fantasy" zu lesenden Aufsatz über Bernhard Minetti, lokalisiert Wardetzky die Wurzeln des Theaters im mündlichen Erzählen. An diesem Grimm-Abend brach also der Ursprung des Theaters durch, war selbst auf der Theaterbühne zu sehen, zu hören, zu genießen gewesen. Schauspieler, so eine der Quintessenzen, sind ebenso begeisterte wie begeisternde Erzähler.
Janine Schweiger vom Verband der "Erzählerinnen und Erzähler" bezeichnet Kristina Wardetzky als einen großen Glücksfall für das mündliche Erzählen: "Sie ist der Brückenschlag zwischen der akademischen Welt und dem Kosmos der Darstellenden Künste, sie ist die stete, unermüdliche und begeisterte Anwältin für eine fast vergessene, immer prekäre und doch so wichtige Kunstform im Angesicht von Kommunikationsarmut, Bildungsmisere und fehlender politischer Fürsprache."
Das Buch "Fluchtpunkte Fantasy. Aufsätze über Märchen, Mythen und das Künstlerische Erzählen" entstand auf Anregung und mit Unterstützung des Verbands der "Erzählerinnen und Erzähler" (VEE). Das Buch erscheint am 25. August 2022 und wird vom 25. bis 28. August im Zuge der Jahrestagung des VEE im Beisein der Autorin vorgestellt.
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